„Stell Dich nicht so an!“

Über viele Jahre hinweg hatte ich im Nachbarort, mitten in der Innenstadt, ein kleines Fachwerkhäuschen gemietet mit einem winzigen Vorgarten. Ich hatte vorn an der Grenze zur Spielstraße eine Weißdornhecke gepflanzt und ein Holztörchen angebracht. Zu meinem großen Ärger wollte eine der 4 Heckenpflanzen zwischen Törchen und Haustür einfach nicht richtig gedeihen und auch das zweimalige Nachpflanzen half nicht.

Susanne am Tor (1997)

Susanne am Tor (1997)

Vor dem Tor waren 2 Stufen (aufgrund des Alters des Hauses lag das Haus unterhalb des üblichen Straßenniveaus), auf dem meine Spitze Susanne und Otto bei gutem Wetter gern saßen und das Treiben in der Spielstraße beobachteten. Da die beiden Kinder abgöttisch liebten, freuten sie sich, wenn diese ans Tor kamen, um sie zu kraulen – Erwachsene wurden natürlich lautstark gemeldet.

Eines Nachts hatte ein übler Frühjahrssturm gewütet und die meisten Häuser hatten mehr oder weniger viele Dachpfannen eingebüßt – die Dachdecker kamen kaum nach mit der Arbeit. Als sie an dem gegenüber liegenden Haus die Schäden ausbesserten, beobachtete ich durchs Fenster, wie der Dachdeckermeister seinen Lehrling ausschimpfte, weil dieser immer einen riesigen Bogen um unser Haus lief, wenn er Dachpfannen holte. Der Lehrling verteidigte sich, dass er grundsätzlich Angst vor Hunden hätte und davon säßen halt bei uns zwei hinterm Tor. Sein Meister regte sich auf und sagte, dass er (der Lehrling) durch diese unsinnigen Umwege viel zu viel Zeit bei der Arbeit verlöre und schließlich wolle er heute noch fertig werden mit dem Dach. Das konnte natürlich seinen Lehrling nicht beruhigen und so meinte der Meister „Ich weiß nicht, was Du hast! Die sitzen doch die ganze Zeit ruhig hinterm Tor und gucken uns zu. Wenn sie Dich beißen wollten, hätten sie es längst getan. Also: Jetzt stell Dich nicht so an! Die beißen doch nicht!“

In dem Moment schoss unsere Susanne wie ein Pfeil neben dem Gartentor durch die dürre Hecke auf den Meister zu, zerfetzte ihm das Hosenbein, flitzte wieder zurück und setzte sich wieder hinters Gartentor. Der Lehrling hatte gar keine Zeit mehr, in Angst auszubrechen. Einen Augenblick stand er  vor seinem vollkommen verdatterten Meister und prustete dann los „Das wollte der Hund jetzt aber mal klarstellen!“

Alles in Ordnung? (Susanne, 1997)

Alles in Ordnung? (Susanne, 1997)

Bis auf dieses eine einzige Mal ist meine Susanne niemals durch das Loch in der Hecke geflitzt – weder vorher, noch hinterher. Der Dachdeckermeister wollte nicht einmal seine Hose ersetzt haben. Er meinte, dass er das ja selbst herausgefordert habe, wenn er sowas über meinen Hund behauptet hätte.

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