Griepto ist mein schwarzes Juweel – Liebe auf den ersten Blick!
11. Mai 2003 – Muttertag
Eigentlich war ich im Tierheim Paderborn, um mir eine kleine gescheckte Notspitzin anzusehen, von der Werner Düro von Spitze-in-Not mir berichtet hatte. Meine beiden eigenen Spitze, Banja und der alte Wolf Otto, waren selbstverständlich mitgefahren. Nachdem wir uns das Mädel angesehen hatten und gerade wieder fahren wollten, traf mein Blick im Umdrehen auf den eines großen schwarzen Spitzes…
Veni, vidi, vicet! – Ich kam, ich sah, er siegte!
Ich wusste im selben Augenblick, dass dies mein Hund war!
Griepto hieß damals Bello. Vom Tierheim habe ich einiges sehr Trauriges über sein Schicksal erfahren müssen und habe natürlich auch weiter zu recherchieren versucht.
Griepto ist ein ehemaliger Kettenhund. Seine Ernährung wurde offensichtlich von Muttermilch auf Küchenabfälle umgestellt als er noch ein Welpe war und, wie seine Röntgenaufnahmen zeigen, er wurde aufs Übelste misshandelt. Im Alter von drei Jahren, als er erwachsen war (die großen Spitze sind „Spätzünder“ und brauchen so lange, um sich richtig und voll zu entwickeln), hat er sich dann gegen diese Misshandlungen gewehrt und gebissen. An seinem Verhalten kann man heute noch ablesen, wie seine Plagegeister wohl ausgesehen haben. Trotz vieler Umerziehungsversuche ist es mir nicht gelungen, all seine Erinnerungen durch positive Erlebnisse zu ersetzen. Leider wurde er wohl auch von einem kleinen Mädchen misshandelt. Die Folge war, dass er Kinder hasste, ganz besonders etwa 8-10jährige sehr schlanke Mädchen mit glatten langen mittelblonden Haaren.
Nachdem er sich also durch Beißen gegen die Übergriffe zu wehren versucht hatte, wurde er schnurstracks zum Tierarzt gebracht, wo er wegen seiner Bösartigkeit eingeschläfert werden sollte.
Nachdem er wohl schon die erste Spritze bekommen hatte, wurde er mehr zufällig von Tierheim-Mitarbeitern entdeckt, die sich nach ihm erkundigten. Als sie erfuhren, dass er erst drei Jahre alt war, waren sie der Meinung, dass er doch wohl noch eine Chance verdient habe und nahmen ihn mit. Glücklicherweise sind im TH Paderborn einige Mitarbeiter, die sich mit Spitzen auskennen.
In diesem TH verbrachte er nun die nächsten zwei Jahre. Er ließ nur wenige Menschen an sich heran und schnappte auch nach einer Gassi-Gängerin. Ab und zu interessierte sich jemand für ihn, aber wenn die Interessenten dann hörten, dass er ein Spitz ist, erlosch das Interesse sofort wieder.
Der hübsche Kerl, ein typischer Vertreter des sehr kräftigen westfälischen Landschlages „Schwarzer Wolfsspitz“ (Mischling aus schwarzem Großspitz mit Abzeichen und Wolfsspitz), musste also nach unserem Blick-Kontakt mit Otto, Banja und mir auf die Spielwiese, weil ich wissen wollte, ob die Drei sich mögen. Schnell merkte ich, dass Griepto aus dem gleichen Holz geschnitzt war wie mein alter Otto und die beiden mochten sich sehr. Bereitwillig ließ Griepto sich noch auf der Wiese von mir ins Maul schauen. Ein großer Spitz mit seinen Vorerfahrungen kann eigentlich keine größere Liebeserklärung mehr machen! Immerhin hatten wir uns erst wenige Minuten vorher das 1. Mal gesehen.
Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass er, wenn ich ihn mitnehmen soll, als Allererstes mal seine Zähne putzen muss, habe ich ihn tatsächlich mitgenommen. So etwas ist eigentlich nicht mein Ding. Es war ein langer harter Kampf, ihn in den Kofferraum meines Autos zu befördern. Mehrere MA des Tierheimes waren damit beschäftigt, weil er um sich biss und sich auch jeden Maulkorb umgehend vom Kopf riss. Schließlich gelang es dann doch.
Als wir zuhause ankamen und ich Otto und Banja aus dem Auto geholt hatte, sprang Griepto wie selbstverständlich hinterher. Wir gingen in die Wohnung und Griepto kam mit, als wäre das das Selbstverständlichste auf der Welt. Meine Katzen Richard und Kitty, die sich sonst immer erst mal in Sicherheit bringen, wenn ein fremder Hund in die Wohnung kommt, sprangen vom Regal herunter, auf dem sie gesessen hatten und begrüßten Griepto gleich als erstes, als ob er schon immer da gewesen wäre. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.
Weil er ein solcher „Schnapper“ war, bekam er von mir sofort den Namen Griepto. Dies ist einer der ältesten überlieferten Hundenamen aus dem Althochdeutschen und bedeutet „Greif zu“. Im Nachhinein denke ich oft, ich hätte ihn ebenso gut „Cerberus“ nennen können, denn er bewacht mich und mein Haus wie der Höllenhund persönlich.
Ich finde es völlig in Ordnung, einem „Second-Hand-Tier“ einen neuen Namen zu geben. Das ist auch für das Tier selbst ein Signal, dass dies ein neuer Anfang ist. Probleme, sich an den neuen Namen zu gewöhnen, haben diese Tiere bei mir nie gehabt, sondern in aller Regel schon nach wenigen Stunden auf den neuen Namen wunderbar gehört.
Trotz dieser Liebe auf den ersten Blick hatte ich natürlich mit ihm in der Anfangszeit einige „Dispute“. Im Grunde fehlte ihm die Erfahrung, dass auch jemand, der in der Rangordnung über ihm steht, ihm trotz dieser Machtposition nicht schadet. So lange er diese Erfahrung noch nicht gemacht hatte, wollte er partout die Führungsposition behalten. Aber Griepto ist ein hochintelligenter Kerl und hat schnell gelernt. Nachdem unser alter Otto, der bis dahin die Rudelführung hatte – Banja war grad im schönsten Flegelalter – ein Nierenversagen erlitt und lange Zeit brauchte, bis er wieder richtig auf den Pfoten stand, übernahm Griepto zunächst die Rudelführung und erzog die freche Banja bzgl. ordentlichen Hundeverhaltens. Umgekehrt lernte er von ihr das Spielen, da er dazu wohl in seinem
Leben wenig Gelegenheit gehabt hatte. Dann begann Otto zu erblinden und Griepto schlüpfte in die Rolle seines Blindenhundes. Die beiden waren die meiste Zeit ein Herz und eine Seele. Nur wenn Banja läufig wurde, gab es Knuffereien, weil Banja mal den charmanten Otto bevorzugte, mal den machohaften Griepto.
Als Banja erwachsen wurde, musste Griepto die Führung natürlich wieder abtreten. Als die derzeitige Rudelchefin Gilla bei uns einzog, erwies sich Griepto als fantastischer Kindergärtner, der mit dem kleinen Feger durchs ganze Haus tobte und ihr manchen Blödsinn beibrachte (z.B. Türen öffnen), bis Banja ihm die Ohren lang gezogen hat.
Griepto ist kein Hund, dem man etwas beibringen kann, indem man es mit ihm übt. Da kann er richtig widerborstig werden. Er liebt es, sich die Sache bei anderen anzusehen und zu einem späteren Zeitpunkt, wenn man gar nicht damit rechnet, regelrecht vorzuführen. Anschließend baut er sich dann mit einem triumphierenden Blick vor mir auf, als wollte er sagen „Das hättest Du jetzt nicht gedacht, oder? Natürlich kann ich das!!!“ Er lernt nur vom Zusehen. Dabei ist er ausgesprochen kreativ. Nachdem er sich beispielsweise einige Male angeschaut hatte, wie Pepper durch den Sacktunnel geflitzt ist, kam er einfach hinterher und versuchte anschließend, das Sack-Ende mit der Nase hochzuheben, weil er meinte, dass das doch auch umgekehrt funktionieren müsste. Zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehört außerdem das Buddeln und jede Art von Kniffeleien.
Griepto ist nicht nur ein vierbeiniger Daniel Düsentrieb, sondern auch das Sensibelchen im Rudel. Er läuft auch am Sacco-Cart obwohl ihm, ebenso wie Gilla, die reine Zugarbeit wenig Spaß macht. Wenn nicht vorn die kleine, drahtige Pepita (Pepper) wäre, die immer gehörig Dampf macht! Aber ein bisschen Fitness-Training hat noch keinem geschadet.
Inzwischen ist er auch wesentlich toleranter gegenüber Kindern geworden, die sich freuen, mal auf dem Hundewagen mitfahren zu dürfen. Auf dem Nordrhein-Westfalen-Tag 2009 in Hamm hat er sogar bereitwillig mit unzähligen Kindern (und auch Erwachsenen) gekuschelt und es hat ihm sichtlich Spaß gemacht!
Nachdem Pepper ausziehen musste, weil sie sich leider immer wieder mit Rudelchefin Gilla anlegte, widmete sich Griepto als erfahrener Erzieher dem kleinen Anton, dem er, wie auch den anderen zuvor, neben vielem Nützlichen und Wichtigen auch allerlei Blödsinn beibrachte (obwohl Antons Mutter Gilla es in dieser Hinsicht selbst faustdick hinter den Ohren hat).
In Ehren ergraut schlief Griepto am 8. Mai 2012 in meinen Armen für immer ein, nachdem er einen schweren Schlaganfall hatte, von dem er sich leider nicht mehr erholen konnte. Bedingt durch den Schlaganfall flackerten seine Augen. Doch in seinen letzten Minuten sah ich, wie er all seine Kraft noch einmal zusammennahm und er sah mir noch ein letztes Mal mit seinem langen, tiefen und ruhigen Blick bis in die Tiefen meiner Seele..
Mach’s gut, mein alter Freund! Du bist gegangen, wie Du gekommen bist.
Ich werde Dich niemals vergessen!
Führe auch einen schwarzen großspitzrüden. Wunderbare geschichte!
Was für eine ergreifende Geschichte – wie konnten nur Leute dem armen Hund so übel mitspielen. Gottseidank hat alles einen guten Ausgang gefunden und er hatte am Ende eine tolle Hunde-Menschen-Familie (was eigentlich jeder Hund verdient hat).