Griepto hatte ja nun wirklich keine schöne Vorgeschichte. Und als er bei uns einzog, wusste ich auch sehr schnell, dass er kein sog. Angstbeißer war. Dieses Stadium einer unschönen Entwicklung hatte er längst hinter sich gelassen und war zu einem regelrechten Menschenhasser geworden. Nach all dem, was ich über ihn in Erfahrung bringen konnte, konnte ich ihm das auch nicht einmal verdenken.
Ein Hund, der sich bereits zum Menschenhasser entwickelt hat, ist nicht einfach und so sehr gerade solche Hunde eine Chance verdienen, so muss ich doch davor warnen, sich einer solchen Herausforderung zu stellen, wenn man nicht entsprechend viel Erfahrung im Umgang mit schwierigen Hunden hat. Und – auch das muss ich korrekterweise sagen – man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass man auch mit viel Hundeerfahrung manchmal kapitulieren muss. Das ist nicht schön, aber wenn man nicht zugeben kann, dass man mit seinem Latein am Ende ist und auch andere erfahrene Hundefreunde keinen Rat mehr wissen, dann stellt dieser Hund für einen selbst und ggf. auch andere Leute eine Gefahr dar. Auch ich habe einen Fall erlebt, bei dem ich an meine Grenzen gestoßen bin. Das zuzugeben ist keine Schande. Eine Schande ist es nur für die Leute, die einen Hund durch körperliche und/oder seelische Misshandlung dazu gebracht haben, sich so zu entwickeln. Vielleicht findet sich, wenn man den Hund ins TH zurückbringt, irgendwann doch einmal jemand anderes, bei dem die Chemie so hervorragend stimmt, dass er es schafft, diesem Hund doch die richtige Richtung zu geben.
Wie auch immer, Griepto und ich hatten bereits bei unserem ersten Blickkontakt eine ganz große Liebe zueinander gefunden und so hatte er wohl beschlossen, es mit mir zu versuchen.
Bereits an einem seiner ersten Tage bei uns hatte der arme Kerl den Schock seines Lebens bekommen. Ich hatte in der Küchenecke einen Eimer mit getrockneten Ochsenziemern und Strotten stehen. Also hatte ich einen davon herausgezogen und ihn den Hunden gegeben. Banja freute sich gleich ein Loch in den Bauch und Griepto war im Bruchteil einer Sekunde unterm Wohnzimmertisch verschwunden. Er hatte wohl nur das stockartige Ding gesehen und war sich sicher gewesen, dass er nun Prügel bekäme. Ich hatte ihn mit seiner Panik vollkommen in Ruhe gelassen und weder gerufen noch sonst etwas getan. Gerade bei einem solchen Burschen ist es nämlich ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn er nicht als Einzelhund kommt, sondern in ein bereits bestehendes Rudel. Andere Hunde sind für ihn einfach glaubwürdiger als ein Mensch es je sein könnte. Das Vertrauen zum Menschen lernt er am einfachsten von den anderen Hunden.
Ich hatte mich also, ohne mich darum zu kümmern, dass Griepto schlotternd unter dem Wohnzimmertisch lag, völlig unbeeindruckt in einen Sessel gesetzt und ein Buch zur Hand genommen. Banja knusperte an dem Ziemer herum und auch Otto kam und knabberte ein wenig mit.
Nun riechen ja auch die getrockneten Ochsenziemer schon ein bisschen, sobald sie aber angekaut und feucht werden, entwickeln sie ein ausgesprochen kräftiges „Aroma“. Griepto war ja nun vor dem Anblick des Ochsenziemers geflüchtet, aber die Tatsache, dass Banja und auch Otto so gar keine Angst davor hatten, weder jaulten, noch andere Laute der Peinigung von sich gaben, sondern stattdessen genüsslich schmatzten in Verbindung mit dem Geruch, der ihm nun in die Nase zog, weckte dann doch die Neugier bei dem ollen Schwerenöter und so kam er schließlich schnüffelnd aus seinem Versteck und krabbelte immer näher an Banja mit ihrem verräterisch müffelnden und scheinbar fressbaren „Knüppel“ heran. Da bei meinen Hunden ja ständig die Näpfe gefüllt sind, ist Futterneid hier ein Fremdwort und Griepto wurde sofort freundlich begrüßt und zum Mit-Knabbern eingeladen.
Ab diesem Moment hat er nie wieder Angst gehabt, wenn ich irgendeinen Stock in die Hand nahm. Das Thema war im wahrsten Sinne des Wortes „abgegessen“.