Wenn ich manchmal zwischendurch kurz die aktuellen Nachrichten sehen möchte, zappe ich mich schon mal durch die verschiedenen Fernseh-Sender. Dabei fand ich dann o.g. Sendung. Genauer gesagt folgende Szene:
Ein älteres Ehepaar mit einem Leonberger-Welpen war mit seinem Hund zu einem Zoo-Besuch aufgebrochen. Der Mann hielt den aus Leibeskräften ziehenden Welpen krampfhaft an der Leine fest und kam kaum hinterher.
Dann wurde Martin Rütter eingeblendet, der die Szene sinngemäß wie folgt kommentierte:
Es ist wirklich schlimm, wenn ich immer wieder diese Menschen sehe, die so einen Hund dann mit einem viel zu lockeren Halsband führen, aus dem der Hund womöglich auch noch den Kopf herauszieht. Man kann das Halsband ruhig auch etwas enger machen, damit das nicht passiert, davon wird der Hund nicht gleich erwürgt. Aber ganz ehrlich, dieser Hund braucht unbedingt ein Geschirr! Damit ihm bei dieser Zieherei nicht der ganze Rücken kaputtgeht!
Ganz ehrlich, Herr Rütter: Dieser Hund braucht definitiv KEIN Geschirr, weil sonst bei dieser Zieherei nicht nur seinem HERRCHEN der Rücken kaputtgeht, sondern wir den Werdegang des kleinen Hundes demnächst in der Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ weiter verfolgen können!
In einem Geschirr kann er nämlich seine volle Zugkraft entwickeln und die ist bei einem ausgewachsenen Leonberger (denn das wird er in einem Jahr sein) nicht wirklich gering. Für einen untrainierten Hund rechnet man als Zugkraft etwa das drei- bis vierfache seines Eigengewichts (ca. 60 – 75 kg!). Darüber hinaus ist gerade ein an der Leine zerrender Hund mit einem Geschirr erst recht nicht lenkbar, weil sich der durch die Leine ausgeübte Gegenzug so schön gleichmäßig auf den gesamten Brustkorb des Hundes verteilt, dass dieser ihn kaum noch wahrnehmen kann, geschweige denn, darauf reagiert. Genau deshalb haben nämlich Schlitten- und andere Zughunde ein Geschirr (gelenkt werden sie mit Worten!)
Was dieser Hund braucht, ist ein korrekt unmittelbar hinter den Ohren angebrachtes nicht zu weites Halsband, eine feste Leine (KEINE Flex!) und ein ordentliches Leinen-Training. Das erfordert zugegebenerweise etwas Geduld, ist aber sinnvoll und notwendig. Ein lernhungriger Welpe begreift das normalerweise recht schnell und diese Zeit ist gut investiert, weil sie der Garant für lebenslang entspannte Spaziergänge ist. So wird nicht nur der Rücken des Hundes, sondern auch der seines Besitzers geschont!
Also: Bereits vor dem Spaziergang darauf achten, dass der junge Hund nicht „übermotiviert“ ist. Keineswegs darf man den Hund auf den Spaziergang „heiß“ machen. Darauf achten, dass auch das Halsband erst dann angelegt wird, wenn der Hund ruhig und entspannt ist. Halsband richtig anlegen und losgehen. Sobald Zug auf der Leine ist, sofort (!) und ohne jeglichen Kommentar (der häufigste Fehler ist, dass der Hund „zugesabbelt“ wird!) unverrückbar stehenbleiben und warten, bis die Leine entspannt ist (Entspannt ist die Leine, wenn sie locker durchhängt und nicht, wenn der Arm immer länger geworden ist!). Erst dann geht es weiter. Und zwar in die Richtung, in die der HUNDEBESITZER gehen möchte (nicht der Hund!). Das ist in den ersten Tagen ein „Stopp & Go“ und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis man 500 m zurückgelegt hat. Trotzdem ist es wichtig, dass man selbst dabei absolut gelassen bleibt – jegliche Ungeduld des Halters überträgt sich 1:1 auf den Hund. Da so ein Welpe aber natürlich die Welt entdecken möchte, möchte er auch gern weiter. Und den Zusammenhang zwischen striktem Stehenbleiben bei Zug an der Leine und Weiterlaufen bei entspannter Leine merkt der Welpe meist ziemlich schnell und dann werden die Stopps auch immer seltener.
Ganz wichtig ist es auch, dass der Hund sich nicht, wenn man stehenbleibt, eine anderweitige Beschäftigung sucht. Es SOLL ihm ja langweilig sein. Ansonsten bleibt der Lernerfolg aus, weil die Motivation fehlt. Natürlich darf man nicht vergessen, dass der Hund, erst recht ein Welpe, nicht nur den ganzen Tag lernen kann, nicht an der Leine zu zerren, wenn er nicht zum Ausgleich altersgerecht ausreichend Möglichkeiten hat, sich mal so richtig auszutoben und nach Herzenslust zu rennen und zu spielen! Und selbstverständlich kann man auch nicht auf der Straße stehenbleiben oder wenn der Welpe noch dringend „sein Geschäftchen“ machen muss.
Für ganz sture Gesellen kann man das Ganze noch toppen und mit dem Hund „tanzen“. Dabei muss natürlich das Halsband wieder richtig angelegt werden. Sobald der Hund an der Leine zieht, geht man (ohne sich umzudrehen) einfach mal 3 Schritte zurück, dann ein paar Schritte nach links, wieder zurück, nach rechts, nach vorn usw. Wichtig ist, dass der Hund nicht einschätzen kann, wohin es im nächsten Augenblick gehen wird. Er ist also gezwungen, seinen Besitzer zu beobachten und sich an ihm zu orientieren. Und dieses Spielchen setzt man auch so lange fort, bis er genau das tut.
Das, Herr Rütter, ist eine Methode, wie man sie in der Ausbildung eines Wachhundes (wie z. B. eines großen Spitzes) anwenden würde!
Sofern allerdings der Hund überhaupt nicht als Wachhund arbeiten soll, und das ließe das gezeigte Beispiel durchaus vermuten, wäre eine Entbindung von dieser Aufgabe definitiv die bessere und weitaus einfachere und nachhaltigste Variante. Und wie das funktioniert, kann man am ehesten bei echten (!) Fachleuten erfahren, wie z. B. hier.
Kombinieren kann man das übrigens auch. Denn auch einen Wachhund, der gelernt hat, seinen Job nach dem oben antrainierten Verhaltensmuster auszuführen, kann man phasenweise von dieser Aufgabe entbinden.