Ich hatte schon unendlich viele Diskussionen mit Spitzzüchtern über den Einsatz von Samenbanken in der Zucht der großen Spitze. Leider sprechen sich noch sehr viele dagegen aus. Keineswegs alle!
Ich möchte darum hier noch einmal verdeutlichen, wo der Nutzen einer Samenbank für Tiere liegt, die vom Aussterben bedroht sind. Solche Möglichkeiten werden übrigens von Zoos für stark bedrohte Tierarten schon seit langem genutzt – ohne diesen Einsatz von Samenbanken wäre mit Sicherheit manche Tierart bereits ausgestorben, die wir nun noch lebend bewundern können! Selbstverständlich können auch Samenbanken für Zwecke missbraucht werden, die (nicht nur) aus meiner Sicht unethisch und nicht vertretbar sind, aber das ist ein anderes Thema und betrifft nicht die Spitzzucht.
Zunächst muss man für den Laien wohl erst das Problem des sog. genetischen Flaschenhalses (oder engl. Bottle-neck) erklären. Dabei geht es darum, dass bei einer sehr kleinen Population, auch wenn man alle Möglichkeiten ausnutzt, die Tiere unterschiedlich zu verpaaren, der Grad ihrer Verwandtschaft untereinander stetig zunimmt. Man bezeichnet dies auch als Homogenisierung des Erbgutes oder als Abnahme der genetischen Varianz (Genetische Varianz ist nichts Anderes, als die Unterschiedlichkeit des Erbgutes). Durch diesen Umstand vervielfacht sich natürlich zwangsläufig auch das Ausmaß der Inzucht und der dadurch entstehenden Schäden (Inzucht-Depression) innerhalb der Gesamtpopulation.
Dazu kommt noch die Tatsache, dass gerade bei Tieren, die z.B. auf großen Zuchtschauen vorgestellt und prämiert werden, alle Züchter ihre Hündin von einem solch tollen Rüden decken lassen möchten. Vor allem natürlich dann, wenn sie diese Prämierungen (Pokale, Urkunden etc.) als Werbemittel einsetzen möchten, um die Welpen möglichst teuer und gut verkaufen zu können, denn viele Käufer möchten gern glauben, dass sie einen besonders gut gezüchteten, besonders gesunden Welpen kaufen, wenn sie den Nachwuchs irgendeines Champions erwerben.
Wenn bei einer sehr kleinen Gesamt-Population also nur die Hälfte der Hündinnen-Besitzer es schafft, ihre Hündin von diesem Rüden (diese Rüden bezeichnet man als Popular Sires) decken zu lassen, sind in der Folge-Generation bereits die Hälfte der Tiere Halbgeschwister. Mit Sicherheit gibt es aber auch unter den Hündinnen welche, die bereits miteinander verwandt waren – z.B. Schwestern, Halbschwestern, Cousinen… Dem entsprechend schwierig wird es also, in dieser 1. Folge-Generation, der sog. F1-Generation, noch Partner zu finden, die noch nicht miteinander verwandt sind. Sofern nicht der vorher schon prämierte Champion fleißig weiter deckt und somit für weitere Verwandtschaft innerhalb der Gesamtpopulation sorgt, wird vielleicht als Nächstes einer seiner Söhne Champion. Und da die Züchter ja nicht allzu inzüchtig züchten möchten, deckt dieser nun zwar nicht seine Halbschwestern, aber den noch verbliebenen Rest der Hundedamen. Vielleicht auch nur ein Viertel davon. Trotz alledem sind in der nächsten, also der F2-Generation bereits mindestens ¾ der gesamten Population eng miteinander verwandt. Es dauert unter solchen Umständen nicht sehr lange, bis innerhalb der gesamten Population nicht ein einziger Partner mehr zu finden ist, der nicht mit der entsprechenden Hündin mehr oder weniger eng verwandt wäre. Und genau das bezeichnet man als genetischen Flaschenhals, weil die Möglichkeiten der Zuchtauswahl immer begrenzter werden. Solche Rüden bezeichnet man als „Popular Sires“ – die Zucht mit ihnen als „Matadorzucht“ (nach Hellmuth Wachtel). Ob ein Rüde zum „Popular Sire“ wird, hängt also nicht nur davon ab, wie viele Hündinnen-Besitzer ihn als Deckrüden anfragen, sondern auch von Vernunft und züchterischem Weitblick des Rüden-Besitzers. Denn nicht selten werden Deckrüden mit guten Eigenschaften von ihren Besitzern eingesetzt wie „Geld-Druckmaschinen“.
Wer züchtet, darf aber nicht nur an den nächsten Wurf denken – vielmehr muss er in Generationen und Populationen denken. Und wenn der einzelne Züchter das vielleicht nicht schafft, dann ist es an seinem Zuchtverein, dafür zu sorgen, dass es keine Popular Sires gibt. Dass es sie in der Realität sehr wohl gibt, ist ein leider beschämender Beleg für die Unvernunft der Züchter, Deckrüdenbesitzer und Vereine!
Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten, aus einem solchen Flaschenhals heraus zu kommen. Je früher man sie einsetzt, umso wirksamer sind sie. Neben der Auszucht, also dem Einsatz von Tieren zur Zucht, die bisher unbekannt waren (z.B. Hunde von Bauernhöfen etc.), sollte man über eine Limitierung der Deckeinsätze für die Rüden nachdenken, um zu verhindern, dass innerhalb von 10 Jahren der größte Teil der Gesamtpopulation unmittelbar verwandt ist. Und an genau dieser Stelle kann man nun sehr sinnvoll eine Samenbank einsetzen.
Hat man beispielsweise 15 deckfähige Rüden, dann deckt immer nur ein Teil der zur Verfügung stehenden Rüden, während die anderen pausieren. In dieser Zeit kann das Sperma der nicht deckenden Rüden in der Samenbank deponiert werden.
Dadurch, dass immer ein Teil der Rüden eine Zwangspause einlegt, hat man innerhalb der Gesamtpopulation weniger verwandte Tiere. Man kann die Nachzucht der einzelnen Rüden auch erst einmal aufwachsen sehen und dann besser beurteilen, bevor sie ihren nächsten Einsatz haben.
Das Sperma aus der Samenbank kann auch dann noch eingesetzt werden, wenn der Rüde selbst bereits lange in der Spermienruhe ist. Da er ja auch vorher nicht allzu viele Hündinnen „beglückt“ hat, ist auch sein genetischer Anteil innerhalb der Population geringer und durch den zwischenzeitlichen Einsatz anderer Rüden sozusagen „ausgedünnt“.
Auf diese Weise kann auch sehr viel später noch das genetische Potenzial der noch deckfähigen, jüngeren Rüden um das Sperma des vorgenannten Rüden ergänzt werden ohne dadurch starke Inzuchtschäden befürchten zu müssen. Die Samenbank dient also als Depot, um zu einem späteren Zeitpunkt die genetische Varianz einer Zuchtbasis vergrößern zu können.
Es ist einfach eine Frage züchterischen Weitblicks, solche Möglichkeiten auch zu nutzen!
Aus diesem Grunde möchte ich ganz besonders an die Besitzer großer Spitzrüden appellieren, das Sperma ihres Rüden in einer Hundesamenbank zu hinterlegen, sofern ihr Hund gesund ist (Erbkrankheiten ausgeschlossen, auf HD und/oder PL, ggf. auch ED geröntgt), beide Hoden im Hodensack (nicht etwa im Bauch) sind, er genetisch registriert ist (bei GenoCanin, Laboklin, Feragen oder mehreren Laboren) und er ein spitztypisches Wesen mitbringt!
Je größer und vielfältiger das dort hinterlegte Depot ist, desto wirksamer ist es auch einsetzbar!
und ich gebe zu bedenken:
Ein Depot guten Hundespermas kann man nicht erst anlegen, wenn es bereits zu spät ist“
Auch Zuchtvereine sollten überlegen, ob sie nicht ihre Züchter dabei unterstützen, für ihren Verein entsprechende Depots aufbauen/finanzieren, indem sie bereits hinterlegtes Sperma von Züchtern/Deckrüdenbesitzern nach deren Zuchtaufgabe übernehmen oder hinterlegtes Sperma den Züchtern zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen. Ein solches Depot hinterlegten Spermas ist eine unschätzbare Ressource zur Erhaltung gefährdeter Arten, bzw. Hunderassen.
Derartige Aktivitäten eines Rassezuchtvereines ermöglichen m. E. einen weit differenzierteren Einblick in die Qualität, Ernsthaftigkeit und Weitsichtigkeit der dort praktizierten Hundezucht!
Für all diejenigen Rüdenbesitzer/Vereine, die Sperma hinterlegen möchten: