Wenn man wirklich gute Zucht betreiben will, ist dafür ein Mindestmaß an Professionalität unabdingbar. Bestandteile einer solchen Professionalität sind
Wissen, Können und Reflektieren.
Ein angemessenes Fehlermanagement gehört zum professionellen Handeln nicht nur dazu, sondern erfordert auch seinerseits genau diese Fähigkeiten.
In ausnahmslos jeder Zucht treten unweigerlich früher oder später Fehler auf. Aber Fehler lassen sich bekämpfen und darum ist das Auftreten socher Fehler beileibe kein Grund, gleich bei der ersten Hürde die Flinte ins Korn zu werfen. Denn im Grunde sind Fehler nichts Anderes als eine Hürde. Man sollte sie als Herausforderung betrachten!
Nicht selten bemerkt man solche Fehler selbst überhaupt nicht, weil sich, auch das ist vollkommen normal und menschlich, im Laufe der Zeit eine sogenannte Betriebsblindheit einstellt. Darum sollte man auf entsprechende Rückmeldungen von außen (Welpenkäufer, Ausstellungsrichter, andere Züchter oder wer auch immer) reagieren und Kritik nicht als persönlichen Angriff oder gar Majestätsbeleidigung werten, sondern sie als Basis fachlicher Auseinandersetzung mit einem Problem verstehen. Sicherlich ist das nicht immer einfach in einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen über die Anzahl ihrer „Likes“ in den sog. „sozialen Medien“ definieren und sich auch schwerpunktmäßig nur noch mit Leuten umgeben, von denen sie – vollkommen unkritisch – regelrecht gehypet werden.
Es ist, gerade für Züchter, mit Sicherheit auch nicht leicht, Fehler, seien es nun eigene oder die anderer Züchter, offen anzusprechen, diskutieren und gemeinsame Lösungsansätze entwickeln zu wollen, zumal sie durch Ausstellungen zwangsläufig in eine Konkurrenzsituation zueinander geraten, bzw. gedrängt werden, in der jeder das Gefühl hat, sich behaupten zu müssen. So geraten gemeinsame Ziele nur allzu leicht aus dem Blickfeld.
Schwierigkeien, die im Umgang mit Kritik eine Rolle spielen, können beispielsweise sein…
- Emotionalisierung (z. B. persönliches Gekränktsein) statt Objektivierung/fachliche Sichtweise (z. B. „die Winkelung der Hinterläufe ist grenzwertig“) einer Problematik
- Verwechslung von „Wissen“ und „Meinung“
- Falsche Zuordnung von Problemen („Wenn einer ersäuft, liegt’s an der Badehose“)
- Individuelle Bewertung von Problemen (z. B. Dramatisierung/Übertreibung, wenn „eine abgehaarte Hündin“ als „schlechte Hündin“ fehlinterpretiert/verstanden wird)
- Verallgemeinernde Sichtweisen („Immer der!“ oder „Immer ich!“)
- Mangelnde Kritikfähigkeit, sowohl aktiv (Angemessenheit der Äußerungsweise), als auch passiv (Annahme-Bereitschaft)
Diese Problematik kann außerdem „befeuert“ werden durch…
- Unklare Regeln (beispielsweise missverständliche/mehrdeutige Formulierungen eines Zuchtstandards oder anderer Zuchtvorgaben)
- Zu ausufernde Interpretations-Spielräume (z. B. „Übertypisierung“ im Sinne entsprechender Vorlieben seitens des Züchters oder Ausstellungsrichters)
- Mangelhafte Ausbildung/mangelndes Wissen (Züchter, aber auch Zucht- und Ausstellungsrichter sollten/müssen regelmäßig und gut informiert/geschult werden – auch im Hinblick auf ihre Kritikfähigkeit!)
- Persönliche Defizite (Selbst-Über- oder Unterschätzung), z. B. geringe Frustrationstoleranz („Hätte ich mir auch sparen können!“) und/oder Animositäten („Ich weiß ja, von wem es kommt…“)
Hilfreich im Umgang mit Kritik kann sein…
- dem Anderen erst einmal zuzuhören,
- sich fair und respektvoll zu verhalten (diese Fähigkeit ist, glaube ich, vielen Menschen heute abhanden gekommen – besonders durch die sog. sozialen Netzwerke, die darum m. E. dieser Bezeichnung nicht immer wirklich gerecht werden…),
- tolerant zu sein, denn manchmal führen auch verschiedene Wege nach Rom,
- auch eigene Unzulänglichkeiten auszuhalten und mit ihnen zu leben,
- nicht immer sofort und mit einem „Schnellschuss aus der Hüfte“ zu reagieren, sondern erst einmal darüber in Ruhe nachzudenken oder eine Nacht darüber zu schlafen,
- selbst überlegen, ob und wo man evtl. auch von anderen Seiten noch zusätzliche Informationen zu diesem Problem bekommen und/oder sein eigenes Wissen auf den neuesten Stand bringen könnte (Fortbildungen, Kurse, Seminare etc.)
- den anderen nicht in eine Ecke zu drängen, sondern Auswege aus einem Dilemma aufzuzeigen, bzw.
- auf den Kritiker zuzugehen und zu versuchen, weitere und genauere Informationen zu bekommen, ihn ggf. auch fragen, ob er entsprechende Erfahrungen, Ideen oder Lösungsvorschläge hat,
um bestenfalls im Anschluss mit ihm und vielleicht auch Anderen (z. B. andere Züchter, Zuchtwart, spezielle Fachleute) gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Konstruktive (!) Kritik und gute Kritikfähigkeit sind eine unabdingbare Basis für zielführendes Fehlermanagement und gute Zucht!
Denn nur so lassen sich Zuchtfehler durchaus korrigieren und auch aus einer weniger guten Zucht kann sogar eine vorbildliche Zucht werden, wenn man Kritiken und Fehler nicht unter den Teppich kehrt oder ignoriert, sondern angemessen damit umgeht!
Daher sollte ein guter (!) Zuchtverein die Kompetenzen seiner Züchter zur Kritikfähigkeit unterstützen – am Ende aber liegt es natürlich an jedem Züchter selbst, der Rolle, die er sich selbst zugeordnet hat, auch in ethischer Hinsicht gerecht zu werden!
Auch die Zucht mit Tieren, die mehr oder weniger ausgeprägte sog. Zuchtfehler aufweisen, kann (!) gerade bei kleinen Zuchtpopulation in eng begrenztem und genauestens überwachtem Rahmen durchaus vertretbar und sogar wichtig sein, sofern vorher
- nach Möglichkeit die Nachweisbarkeit des betreffenden Zuchtfehlers (z. B. molekulargenetische Testverfahren oder Screening) ermittelt wird,
- nach Möglichkeit der Erbgang analysiert wird,
- in den Folge-Generationen, je nach Auswirkung auf die Zuchtpopulation, wieder in angemessenem Umfang auf diesen Fehler selektiert wird und
- der Krankheitswert des Zuchtfehlers (sowohl bei homo-, als auch bei heterozygotem Auftreten) für davon betroffene Tiere im Falle der Manifestation in der Nachzucht genauestens ermittelt und beurteilt wird.
Mit dem richtigen Instrumentarium ist es möglich und sinnvoll, eine auf das jeweilige Problem exakt zugeschnittene Zuchtstrategie zu entwickeln.
Für manche Probleme sind teilweise schon lange gut bewährte Strategien vorhanden (vielleicht auch bei anderen Hunderassen) – für andere müssen sie noch entwickelt werden. Neu hinzukommende Probleme oder auch neue Erkenntnisse zu altbekannten Problemen erfordern Umdenken und ggf. auch neue oder Anpassung der bisherigen Zuchtstrategien, wobei man gerade in kleinen Zuchtpopulationen immer darauf achten muss, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Manche Probleme kann man beim besten Willen nicht von heute auf Morgen korrigieren oder gar ausmerzen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fehler, die im Falle der Manifestation einen hohen Krankheitswert aufweisen oder lebensverkürzend sein können (z. B. Epilepsie, erbliche Herzfehler, Merle, Extremscheckung, aber auch Linienzucht/Inzestzucht), nicht nur aus ethischer Sicht höchst bedenklich sind, sondern auch rechtlich im Sinne des § 11 b TierSchG den Tatbestand der Qualzucht erfüllen und darum nicht zu tolerieren sind.
Alle Kritik nutzt nichts, wenn man nichts daraus macht!
Man kommt nicht umhin, entsprechend der eigenen Aufgabenstellung oder, je nach Ausmaß/Folgenschwere der Kritik, unter Umständen ein Mindestmaß an Qualitätsmanagement zu entwickeln und in seiner Zucht anzuwenden.
Eine gut strukturierte Vorgehensweise ist also umso wichtiger, je grundlegender oder schwerwiegender das erkannte Problem ist.
Darum möchte ich hier einmal ein Modell vorstellen, an dem man sich für eine wirklich systematische Planung orientieren kann. Wenn man möchte.
Das ist sicherlich nicht etwas, was man zur Durchführung des nächsten Einkaufs durchexerzieren sollte, aber vielleicht kann es dem Einen oder Anderen gute Dienste leisten, wenn er sich durch schwierige Probleme hindurchkämpfen muss und gern ein Schema hätte, an dem er sich „entlanghangeln“ kann.
Gerade in Situationen, in denen man das Gefühl hat, „wie der Ochs vorm Berg“ zu stehen, gar nicht so genau weiß, an welcher Stelle genau es denn nun klemmt und an welcher der vielen Schrauben man jetzt am besten drehen sollte, kann es sinnvoll und hilfreich sein, die ganze Angelegenheit wirklich mit System anzugehen. Wenn man die Sachen dann zu Papier bringt und die Vorgehensweise schwarz auf weiß vor sich liegen hat, rieseln manchmal schon die ersten Erkenntnisse wie Schuppen aus den Haaren…
Darüber hinaus ist eine systematische Planung auch immer dann empfehlenswert, wenn die Aufgabe, die man mit ihrer Hilfe bewältigen will, sehr komplex ist. Beispielsweise eine Kreuzungszucht.
Systematische Planung
Name der zu planenden Handlung | ||
Zielstellung
|
|
|
|
Ziel…
|
|
|
|
|
|
|
|
Evaluationskriterien
|
|
|
|
||
Voraussetzungen
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Handlungsschritte
|
|
|
Durchführung |
|
|
Überprüfung |
|
|
Bewertung |
|
|