Planmäßige Kreuzungszucht

In der Vergangenheit wurde die Kreuzungszucht leider von allen möglichen Leuten nach dem Motto gehandhabt:

„Man nehme einen Spitz und . . .“

Nun ist aber Kreuzungszucht kein Kuchenrezept, bei dem man ein ggf. misslungenes Ergebnis einfach entsorgen kann, sondern hat nachhaltige Auswirkungen auf lebende Wesen, unter Umständen sogar auf eine ganze Population. Genau das sollte man sich dabei immer vor Augen halten! Es geht auch nicht darum, nun endlich ein tolles Ventil zur Selbstverwirklichung der eigenen schon lange brachliegenden Kreativität gefunden zu haben, sondern darum, eine bestehende Hunderasse (gesund) zu erhalten und/oder weiter zu entwickeln – hin zu größerer Gesundheit/Fitness und ohne Verlust rassespezifischer Merkmale. Im Falle der Spitze handelt es sich sogar um ein Jahrtausende altes lebendes Kulturerbe, das nun keineswegs solchen fragwürdigen Privat-Allüren geopfert werden darf!

Eine verantwortungsvolle Kreuzungszucht setzt zum Einen umfangreiches Wissen, sowie ausführliche Analysen der eigenen und der einzukreuzenden Rasse und des einzukreuzenden Individuums voraus und erfordert zum Anderen ein zielorientiertes, standardisiertes und systematisches Vorgehen!

 

 

1. Terminale und nicht-terminale Kreuzung

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen terminaler (= endgültig) und nicht-terminaler Kreuzung.

Bei der terminalen Kreuzung geht es ausschließlich darum, in der nächsten Generation ein möglichst gutes Ergebnis zu haben. Eine Weiterzucht mit dieser Generation wird nicht angestrebt. Sie ist rein gegenwarts-orientiert.

Typische terminale Kreuzungen finden wir beispielsweise in der Pflanzenzucht, wo inzwischen selbst für den Hobbygärtner patentierte Samen verkauft werden, deren ausgewachsene Pflanzen einen hohen Ertrag versprechen. Manche dieser Pflanzen bilden überhaupt keine eigenen Samen mehr aus und können schon deshalb nicht weiter vermehrt werden oder die ausgebildeten Samen keimen nicht angemessen aus. Auch in der Tierzucht gibt es solche terminalen Kreuzungen, z. B. zwischen Esel und Pferd (Maultier/Muli und Maulesel), die, je nach Art der Kreuzung, keine vermehrungsfähigen Nachkommen bringen.

 

Die nicht-terminale Kreuzung dagegen ist nicht einfach nur an der nächsten Generation orientiert, sondern sie erfolgt mit dem Ziel, die Rasse-Eigenschaften zu verbessern und diese Verbesserung in den nachfolgenden Generationen dauerhaft zu etablieren und zu fixieren. Sie ist also zukunfts-orientiert.

Die nicht-terminale Kreuzung wird weiter unterschieden in kontinuierliche und diskontinuierliche Kreuzung.

 

2. Kontinuierliche und diskontinuierliche, Veredelungs- und Verdrängungskreuzung

Bei der kontinuierlichen Kreuzung ist wichtig, dass das exakt gleiche Kreuzungsschema über etliche Generationen beibehalten wird. Für Tierarten, die eine schnelle Generationenfolge haben und sich darüber hinaus als Population leicht isolieren lassen (z.B. Labor-Mäuse in unterschiedlichen Käfigen), ist das gut durchführbar.

In der Hundezucht ist dies schon allein wegen der längeren Generationenfolge nicht umzusetzen.

 

Bei der diskontinuierlichen Kreuzung dagegen ist es möglich, in jeder Generation die Kreuzungsstrategie zu wechseln. Trotz alledem sollte auch sie zielorientiert sein und ein sinnvoller Standard dazu entwickelt und vorgelegt werden, an dem sich das Vorgehen bei der Kreuzung orientiert.

Ein Beispiel für eine solche diskontinuierliche Kreuzung finden wir in den eigenen Reihen. Bei den osteuropäischen Züchtern von Großspitzen wird üblicherweise in jeder 3. Generation zur Blutauffrischung ein Wolfsspitz eingekreuzt. Man kann also z. B. ein Minimum an Generationen vorgeben, die zwischen den einzelnen Einkreuzungen liegen müssen. Ist in der 3. Generation aber die Angleichung des Exterieurs noch nicht so weit fortgeschritten, wie man sich das wünscht, kann die Einkreuzung des nächsten Wolfsspitzes problemlos um eine weitere Generation verschoben werden.

Ein ähnliches Schema findet man auch in der Zucht der Eurasier, der ja eine Kreuzungszucht von Wolfsspitz, Samojeden-Spitz und Chow-Chow ist. Auch hier werden immer mal wieder Tiere der Ursprungsrassen eingekreuzt, wobei jedoch nicht ausschließlich das Exterieur der Hunde beachtet wird, sondern auch die Wesenseigenschaften berücksichtigt werden.

 

Bei der diskontinuierlichen Kreuzung unterscheidet man zwischen Veredelungskreuzung und Verdrängungskreuzung.

Grundsätzlich gibt es also für die Veredelungskreuzung erst einmal kein starres Kreuzungsschema. Das Ziel ist, die ureigensten Eigenschaften einer Rasse zu erhalten in Verbindung mit einer Verbesserung im Bereich vorhandener Defizite (z.B. schlechtes Immunsystem). Also gilt:

Diese spezielle Form der sehr flexiblen diskontinuierlichen Kreuzung, bei der es vordringlich darum geht, die genetische Varianz einer Population zu verbreitern bei gleichzeitiger Erhaltung ihrer ureigensten Eigenschaften und Merkmale, bezeichnet man als Veredelungskreuzung.

Damit ist die Veredelungskreuzung wohl die Form der Kreuzungszucht, die für die Erhaltung der Groß-, aber auch Mittelspitze am ehesten in Betracht kommt.

 

Dem gegenüber steht die Verdrängungskreuzung, bei der über mehrere Generationen hinweg Tiere einer anderen Rasse eingekreuzt werden, was in der Folge zur Verdrängung der Gene der Ursprungsrasse und damit auch ihrer ursprünglichen Rasse-Eigenschaften und -Merkmale führt. Die ursprünglichen genetischen Eigenschaften gehen dabei unwiederbringlich verloren. Zur Erhaltung einer Hunderasse kommt diese Form der Kreuzungszucht wohl kaum in Betracht!

Es gilt aber der Grundsatz:

Alle Kreuzungs-Konzepte müssen an die Rasse adaptiert werden, bei der sie angewandt werden!

 

Und an genau dieser Stelle ist es erforderlich, das Konzept der Veredelungskreuzung an die rassespezifischen Erfordernisse der Spitze anzupassen, da sowohl die Zuchtbasis, als auch die genetische Varianz, insbesondere der Groß- und Mittelspitze, extrem gering ist und deren rassetypische Merkmale folglich umso leichter verdrängt werden können.

Bei der Veredelungskreuzung von Spitzen ist also besonders wichtig, dass man Vorgaben macht, wie oft welche Tiere aus welcher anderen Rasse eingekreuzt werden dürfen, weil man sonst Gefahr läuft, dass aus der eigentlich geplanten Veredelungskreuzung ganz schnell eine Verdrängungskreuzung wird!!!

Aktuell erleben wir das mehr als deutlich in Bezug auf die „Wesenseigenschaften“, die zu den wenig heritablen Merkmalen gehören. Zu den hervorstechendsten Wesensmerkmalen des Deutschen (!) Spitzes gehört nämlich, neben seiner schon sprichwörtlichen Wachsamkeit, der völlig fehlendes Jagdverhalten. Es gibt zwar immer wieder Zeitgenossen, die darauf hinweisen, dass es selbst früher schon jagende Spitze gab. Das will auch niemand bestreiten. Die gibt es sogar heute noch. Aber es wird dabei nur allzu geflissentlich übersehen, dass bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts, und das gilt auch für die davor entstandene Literatur, im Allgemeinen zwischen den unterschiedlichen Spitz-Rassen (wie auch Hunderassen überhaupt) nicht oder nur äußerst selten und oberflächlich unterschieden wurde. Allerdings erschließt sich einem das erst nach sehr ausführlichem Studium so alter Literatur. Der fehlende Jagdtrieb ist aber dennoch altbekannt und wurde durch das wenig durchdachte Einkreuzen jagender Spitzrassen, wie dem Samojeden-Spitz, verdrängt. Denn das Jagdverhalten ist – wen wundert’s – definitiv dominant. Und die Einkreuzung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zuchtpopulation nur noch aus einzelnen Tieren bestand. Was man also in Jahrhunderten (oder Jahrtausenden?) mühsam herausgezüchtet hatte, damit der Hund nicht beim Anblick des erstbesten Langohrs die ihm anvertrauten Güter im Stich lässt, ist durch einen einzigen Fehler innerhalb kürzester Zeit aus einem großen Teil der Population verschwunden!

Genau das ist Verdrängungskreuzung par excellence!

Wie bedeutsam bestimmte Wesensarten beim Hund sein können, mag wohl das Beispiel meiner Hündin Pepper verdeutlichen. Pepper war eine Mischlings-Hündin (Im Grunde also nichts anderes als eine Art „Dauer-Kreuzung“). Sowohl an ihrer Erscheinung, als auch an ihrem Wesen war unübersehbar, dass irgendein Terrier an ihrer Entstehung beteiligt gewesen sein musste. Welche Rasse, blieb im Verborgenen. Da sie den damals noch ganz kleinen Anton übelst zu piesacken begann, geriet sie darüber zwangsläufig mit seiner Mutter Gilla böse aneinander, die sie mehrfach auf den Rücken legte und Pepper an der Kehle hatte. Pepper hat nicht einmal die Ansätze von Beschwichtigungsgesten gezeigt und wäre ich nicht dabei gewesen und hätte eingegriffen – sie hätte es wohl mit dem Leben bezahlt. Fakt ist, dass nicht allen, aber diversen Terrier-Rassen das an und für sich normale Beschwichtigungsverhalten abgezüchtet wurde.

Man sollte also rassetypisches Verhalten und Wesensmerkmale auch bei Kreuzungen niemals vernachlässigen!!!

 

Die Veredelungskreuzung wird weiter unterschieden in

3. Kombinations- und Heterosiskreuzung

3.1 Die Kombinationskreuzung

Bei der Kombinationskreuzung ist das Ziel, ein bestimmtes Merkmal (oder auch mehrere) in eine Population einzubringen und, wie der Name schon sagt, mit ihr zu kombinieren.

Eine solche Kombinationskreuzung finden wir klassisch in der Vergangenheit der Britischen Hütehunde (vordringlich Collie und Sheltie), in die der früher noch existierende Pommersche Hütespitz eingekreuzt wurde, weil er in ganz Europa als der beste Hütehund galt. Das Ziel war die Kombination seiner Eigenschaften mit denen der Britischen Hütehunde. In neueren Zeiten finden wir es auch bei den schon erwähnten Eurasiern.

Die Kombinationskreuzung ist aber nicht nur geeignet, um Wesenseigenschaften zu kombinieren, sie kann auch ein Rettungsanker sein, wenn in einer Population wichtige Gene verloren gegangen sind.

Wie wir ja aus der Genetik wissen, sind die meisten Erbkrankheiten rezessiv und führen nur bei Reinerbigkeit zum Ausbruch der Krankheit, weil reine Merkmalsträger das defekte Gen mit dem dominanten intakten Allel kompensieren. Aus genau diesem Grunde können sich solche Erkrankungen ja mitunter durch mischerbige Merkmalsträger sehr stark verbreiten, bevor wir sie überhaupt bemerken. Wenn sich dadurch der relative Anteil der Merkmalsträger innerhalb der Population zu sehr verbreitet, kommt es zwangsläufig irgendwann zu einer Zunahme von Verpaarungen der Merkmalsträger und somit, nach Gregor Mendel, auch zu immer mehr homozygoten und damit erkrankten Nachzuchten – das intakte Gen verschwindet immer mehr aus der Population und die (spezifische) Inzuchtdepression ist manifest. Aus dieser Gefahr resultiert die Notwendigkeit der ständigen Beobachtung der Population auf Ausbreitung von Defektgenen (auch, wenn die Anpaarung von Merkmalsträgern ausschließlich mit merkmalsfreien Tieren zugelassen wird).

Wenn also, z. B. auf diese Weise ein intaktes Gen verloren geht, kann man es durch eine Kombinationskreuzung wieder in der Population implementieren. Dabei ist natürlich darauf zu achten, dass durch entsprechende Regelungen/Vorgaben, beispielsweise des Zuchtvereins, die Zucht mit den Trägern genau dieses implementierten Gens so gefördert wird, dass es sich wieder in der Population ausbreiten kann und nicht als Folge der genetischen Drift erneut verloren geht.

Bei der Auswahl des einzukreuzenden Individuums sollte man vordringlich berücksichtigen, dass dieses das erwünschte intakte Gen homozygot, also reinerbig aufweist, damit es auch an ausnahmslos alle so gezüchteten Welpen vererbt wird.

 

3.2 Die Heterosiskreuzung

Im Gegensatz zur Kombinationskreuzung ist das Ziel der Heterosiskreuzung nicht die Kombination mit nur einem oder mehreren sehr spezifischen Merkmalen, sondern die allgemeine Erweiterung der genetischen Varianz, also der Heterogenität der Population. Heterogenität (oder Heterosis) ist ja die Mischerbigkeit, die einer Population die Voraussetzung dafür liefert, sich an Veränderungen und Herausforderungen der Umgebung anzupassen und damit die notwendige Basis für Krankheitsresistenz und Vitalität bildet.

Die Problematik der Rassezucht als Gratwanderung zwischen erwünschter Homogenität einerseits und erforderlicher Heterogenität andererseits hatte ich ja bereits ausgeführt. Sie ist in erster Linie sinnvoll und wichtig zur Bekämpfung der unspezifischen Inzuchtdepression. Die Heterosiskreuzung ist allgemein bekannt unter dem Begriff der „Blut-Auffrischung“.

Bei der Auswahl des einzukreuzenden Individuums kann man entsprechend auch eher unspezifische Auswahlkriterien zugrunde legen. Wichtig ist vor Allem, dass es möglichst mischerbig sein sollte. Entsprechend ist natürlich das Einkreuzen eines selbst bereits hochgradig inzüchtigen Individuums wenig sinnvoll.

Im Prinzip wäre (!) also jede gesunde Promenadenmischung wunderbar geeignet, wenn sich da nicht ein Problem ergeben würde aus der vollkommen unbekannten genetischen Bürde. Denn auch, wenn die Auffassung stark verbreitet ist, Promenadenmischlinge seien immer gesünder als Rassehunde, ist dies in der Realität so keineswegs immer zutreffend, weil sie mitunter sogar die erblichen Erkrankungen all jener Rassen rezessiv und damit gut versteckt in sich tragen, aus denen sie einmal entstanden sind. Die Anzahl der Unbekannten in dieser Rechnung wäre wohl nur schwer zu verantworten.

Seit Neuestem kann man bei der Firma Laboklin statt des normalen DNA-Profils auch das sog. Premium SNP DNA-Profil erstellen lassen, das eine Heterozygotie-Analyse beinhaltet. Das ist natürlich besonders aufschlussreich, wenn man eine Einkreuzung plant.

Darüber hinaus gibt es schon sehr lange Erkenntnisse zu speziellen Gen-Loci, den MHC-Loci (beim Hund auf Chromosom 6), die in vielerlei Hinsicht entscheidenden Einfluss auf die Immunabwehr, also Krankheitsresistenz, und Entstehung von Auto-Immun-Erkrankungen haben. Ausführliche Erkenntnisse zu dieser Thematik, insbesondere auch bei Hunden, wurden bereits vor über 20 Jahren in der Humanmedizin gewonnen – leider mit noch wenig Auswirkungen für die Veterinärmedizin. So langsam kommt das allerdings auch bei den Hunden selbst an.

 

4. Grundsätzliche Vorgaben für Kreuzungszucht

Wie aus den vorangegangenen Kapiteln ersichtlich wurde, gibt es bei all diesen verschiedenen Möglichkeiten zur Kreuzung immer auch grundlegende Erfordernisse, die immer (!) einzuhalten sind, wenn man nicht riskieren will, dass die ganze Angelegenheit „nach hinten losgeht“. Gerade im Hinblick auf die nicht wegzudiskutierende extrem winzige genetische Varianz beispielsweise der Großspitze, könnte dies nämlich sehr schnell das „Aus“ für die gesamte Rasse bedeuten!

1. Die Einkreuzung sollte ausschließlich durch fremdrassige Rüden erfolgen.

Begründung: Aus der leider in der Veterinärgenetik bisher nur sehr dürftigen, in der Humangenetik aber bereits wesentlich fortgeschritteneren Forschung zur sog. Epigenetik wissen wir, dass auch Prägung bedingt erblich ist. Daraus ergibt sich, dass der Prägung der Welpen durch das Muttertier der Ausgangsrasse (also in unserem Fall der Spitzin) eine extrem wichtige und weitreichende Bedeutung zukommt. Nur so kann einigermaßen sichergestellt werden, dass insbesondere rassespezifische Wesensmerkmale nicht so schnell verloren gehen. Darüber hinaus wird die sog. Mitochondriale DNA (Mitochondrien sind, neben dem Zellkern, weitere sog. Organellen und Bestandteil des Erbmaterials) ausschließlich von der Mutter weiter vererbt und auch diese (maternale = mütterliche) DNA enthält essentielle Informationen!

2. Vor der Auswahl eines Rüden zur Einkreuzung muss sein genetisches Umfeld genauestens eruiert werden.

Begründung: Jede Rasse hat zwangsläufig eine genetische Bürde, also Vorbelastung mit speziellen Erkrankungen. Wenn man also nicht diese Erkrankungen in die eigene Rasse einschleppen will, wie dies z. B. in der Vergangenheit mit PHPT (von den Keeshond) oder prcd-PRA (von den American Eskimodogs) passiert ist, muss also zwangsläufig zunächst ermittelt werden,

a) welche Vorbelastungen in dieser Rasse existieren und
b) wie stark verbreitet diese Erkrankungen sind.

Besondere Sorgfalt sollte darauf verwandt werden, sog. Defekt-Kopplungen zu ermitteln, also die Kopplung eines bestimmten genetischen Defektes an ein anderes, scheinbar unauffälliges Gen (z. B. der Farb-Loci). Speziell die Vererbung solcher Kopplungen ist nicht vorhersagbar. Es ist sowohl eine direkte unveränderte Vererbung der Defekt-Kopplung möglich, als auch eine Entkopplung des Defektgens oder es kann auch eine völlig neue Defekt-Kopplung entstehen.

Bei Erkrankungen, die mittels molekulargenetischer Untersuchung nachweisbar sind, kann der Rüde natürlich leicht untersucht werden. Bei anderen Erkrankungen, wie beispielsweise der Epilepsie, ist das aber nicht möglich. Hier ist es natürlich vorteilhaft, wenn in der betreffenden Rasse die Zuchtwertschätzung etabliert ist und das betreffende Merkmal dabei erfasst wird. Leider ist der Einsatz der Zuchtwertschätzung aber in der Hundezucht allgemein noch sehr wenig verbreitet. Darum muss im nächsten Schritt die individuelle Vorbelastung des Rüden selbst erfasst und beurteilt werden. Das bedeutet, dass ermittelt werden muss, inwieweit seine unmittelbaren Verwandten von bestimmten Erkrankungen betroffen sind (Häufigkeit von Krebserkrankungen, Herzinsuffizienz, Herzfehler, Lebenserwartung, Autoimmunerkrankungen, Futterunverträglichkeiten, Allergien, usw.). Optimal wäre also ein verhältnismäßig alter Deckrüde mit vielen Nachkommen, deren Gesundheitsstatus bestens dokumentiert ist.

Weniger, aber nicht gänzlich uninteressant, ist natürlich auch die Frage der Dominanz ggf. unerwünschter Merkmale der einzukreuzenden Rasse. Meines Wissens ist beispielsweise die Stummelrute ein solches dominantes Merkmal und ich bin mir ziemlich sicher, dass, auch wenn der Hund kreuzgesund wäre, kein Züchter Spitze mit Stummelschwänzchen haben möchte.   😉

3. Bei Kombinations-Kreuzungen sollte der Rüde für das gewünschte Merkmal homozygot sein, sofern es genetisch nachweisbar ist.

Begründung: Die Homozygotie, also Reinerbigkeit, des gewünschten Merkmals beim einzukreuzenden Rüden stellt sicher, dass es an ausnahmslos alle Welpen der Folgegeneration vererbt wird. So ist eine schnelle Ausbreitung leichter und besser zu erreichen, als wenn nur ein mehr oder minder großer/kleiner Teil der Welpen das gewünschte Gen erbt.

4. Bei Heterosis-Kreuzungen sollte der einzukreuzende Rüde einen möglichst niedrigen Inzuchtkoeffizienten haben.

Begründung: Da die Heterosis-Kreuzung mit dem Ziel erfolgt, das Ausmaß der Heterozygotie der eigenen Rasse zu erhöhen, bringt das Einkreuzen eines Hundes, der selbst bereits ein hohes Maß an Homozygotie aufweist, keinen wirklichen Fortschritt. Besonders sinnvoll wäre es natürlich, von dem ausgewählten Rüden das oben bereits erwähnte Premium SNP DNA-Profil bei der Firma Laboklin erstellen lassen, das eine Heterozygotie-Analyse beinhaltet.

Darüber hinaus sollte man auch erwägen, die Möglichkeit der gengestützen Anpaarung in Anspruch zu nehmen. (Im Grunde ist dies nichts Anderes als die Laborversion dessen, was ich schon vor langer Zeit im Kapitel „Die Bedeutung der Hundenase in der Zucht“ beschrieben habe)

5. Die Folge-Generationen einer Kreuzung müssen gekennzeichnet werden.

Begründung: Die Kennzeichnung der Folge-Generationen (F1 für die erste Folge-Generation, F2 für die nächste usw.) ist unbedingt erforderlich, damit erkennbar ist, wie weit der Kreuzungsprozess fortgeschritten ist. Denn bei zu häufiger Einkreuzung läuft man, wie oben beschrieben, schnell Gefahr, dass aus einer Veredelungs-Kreuzung eine Verdrängung-Kreuzung wird mit Verlust der rassespezifischen Merkmale.

6. In der weiteren Zucht sollte ausschließlich jeweils ein Rüde der Kreuzungs-Generation mit einer Hündin der reinrassigen Ausgangsrasse verpaart werden.

Begründung: Dieses Vorgehen ist unbedingt notwendig, um

a) möglichst schnell zum Exterieur des Rassetyps zurückzukehren und ihn wieder zu festigen

b) weiterhin die Prägung durch die Mutterhündin (Interieur) der Ausgangsrasse zu gewährleisten.

7. Die Einkreuzung muss in den Folge-Generationen ständig beobachtet werden.

Begründung: Es ist unbedingt erforderlich, die Folge-Generationen auf möglicherweise „eingeschleppte“ erbliche Erkrankungen zu kontrollieren, wobei nicht nur auf einfache Defekt-Gene, sondern insbesondere auf ggf. auch neu entstandene Defekt-Kopplungen zu achten ist.

8. Bei Kombinations-Kreuzungen muss die bevorzugte Zucht-Verwendung der Folge-Generationen gewährleistet werden.

Begründung: Werden die Folge-Generationen nicht ausreichend (oder sogar bevorzugt) zur Zucht eingesetzt, kann das durch die Kreuzung eingebrachte Merkmal nicht in der Population verbreitet werden und durch den vollkommen normalen Prozess der genetischen Drift verhältnismäßig schnell wieder verschwinden. Wobei das Verschwinden umso schneller passiert, je kleiner die Population der Rasse ist, in die eingekreuzt wurde,

(Aus unerfindlichen Gründen verschwinden die erwünschten leider meist schneller als die unerwünschten –vergleichbar dem Phänomen an der Supermarktkasse, bei dem es in der anderen Schlange immer schneller geht, als in der eigenen.)

9. Bei der Kombinationskreuzung muss der Schwerpunkt auf der Verbreitung des eingebrachten Merkmals liegen – bei der Heterosiskreuzung auf der Rückkehr zum Exterieur der Rasse.

Begründung: Die Begründung ergibt sich aus der Zielsetzung (siehe oben).

Eine Kombinations-Kreuzung mit der Zielsetzung, ein bestimmtes Merkmal in die Rasse zu implementieren, macht keinen Sinn, wenn dieses Merkmal nicht anschließend in der Population verbreitet wird.

Eine Heterosis-Kreuzung mit der Zielsetzung, die Heterogenität der Population zu verbessern, kann durchaus mit einem Rüden erfolgen, der dem Exterieur der Rasse wenig entspricht, ansonsten aber hervorragende Eigenschaften aufweist. Dem entsprechend kann das Exterieur zumindest der F1-Generation u. U. erheblich vom Rassestandard abweichen, was sich aber üblicherweise spätestens in der F3- oder F4-Generation ausgeglichen hat, sofern man die hier zugrunde gelegten Regeln einhält, da das Exterieur zu den hoch heritablen Merkmalen gehört.

(Selbst bei einem eingekreuzten Dackel kann man das nach 3 Generationen meist nicht mehr feststellen!)

10. Je kleiner die Population der Ausgangsrasse ist, desto akribischer muss eine Kreuzung geplant, fixiert, beobachtet und dokumentiert werden

Begründung: Je kleiner eine (Zucht-)Population ist, desto problematischer ist es, die rassetypischen Eigenschaften zu erhalten. Insbesondere zu häufige, schlecht geplante und unausgegorene, ebenso wie schlecht durchgeführte (auch bei einer an sich guten Idee) Kreuzungsversuche können sehr schnell zu einer nicht erwünschten Verdrängung der rassespezifischen Merkmale führen. Demzufolge sollten solche Kreuzungsplanungen am besten auch schriftlich niedergelegt und mit dem Zuchtverband, ggf. auch anderen Züchtern der gleichen Varietät, abgestimmt werden. Dazu gehören neben einer klar formulierten und begründeten

    1. Zielsetzung (Was will ich verbessern und warum),
    2. Darlegung der Ausgangs-Situation (Belastung der eigenen Rasse),
    3. Darstellung der ausgewählten einzukreuzenden Rasse (Rassespezifische Merkmale, genetische Bürde/Belastung usw.),
    4. Auflistung und Analyse möglicher Probleme, die durch die Kreuzung auftreten könnten (Einschleppung von Defektgenen, Verdrängung der eigenen rassespezifischen Merkmale, insbesondere Wesenseigenschaften, Gegenmaßnahmen usw.),
    5. (sofern bereits ausgesucht) die genetische Situation des ausgewählten Rüden (Inzuchtkoeffizient des Rüden, Zuchtwertschätzung, Erkrankungen der Nachkommen, Eltern, Geschwister, Lebenserwartung usw.)
    6. Vorgehensweise bei der Durchführung (Wie, wann und was ist zu dokumentieren?)
    7. weitere züchterische Verwendung der Folge-Generationen (evtl. Absprachen mit anderen Züchtern)
    8. Vorgehen und Zielsetzungen bei der Beobachtung der weiteren Entwicklung der Kreuzungszucht (Wann und wie sollen Rückmeldungen eingeholt werden? Welche Aspekte sind besonders wichtig/zwingend erforderlich?)
    9. Ergebnis-Überprüfung/Evaluation/Nachbearbeitung: Wann und wie soll eine Überprüfung der Zielsetzung erfolgen?
    10. Überprüfung, ob, bei Erreichung des Zieles, und ggf. wann eine weitere Einkreuzung nach diesem Schema sinnvoll erscheint.

 

Zusammenfassung

Kreuzungszucht ist ein starkes, aber auch keineswegs ungefährliches Instrument zur Verbesserung und Gesunderhaltung einer Hunderasse. Insbesondere für (Zucht-)Populationen, die sich im genetischen Flaschenhals befinden (oder ihn, wie unsere größeren Spitze, bereits mehrfach durchlaufen haben) und die eine entsprechend geringe genetische Varianz aufweisen, gehört sie wohl zu den wichtigsten und besten Mitteln, um bei zahlenmäßiger Zunahme der Population weiterer genetischer Verarmung und Inzuchtdepression als Ausdruck fortschreitender Degeneration entgegen zu wirken.

Im VSVR heißt es dazu in der Zuchtordnung (Zitat):

1 Präambel

Um das gesetzte Ziel zu verfolgen, haben die Mitglieder des VSVR sich auf eine Doppelstrategie geeinigt:

[…]

  1. Erweiterung des bestehenden Genpools durch geeignete Maßnahmen (beispielsweise kontrollierte Vergrößerung des Genpools durch von der Mitgliederversammlung zu beschließende Auszuchtprogramme mit klar definierten Voraussetzungen und Regeln

[…]

4.6 Auswahl der Zuchtpartner

Auszuchtprogramme mit anderen Rassen bedürfen des Beschlusses der Mitgliederversammlung. Die Auszuchtverpaarung bedarf darüber hinaus einer Einzelfallgenehmigung durch den Vorstand.

 

Allerdings erfordert Kreuzungszucht, damit kein zusätzlicher Schaden entsteht, fundiertes Vorwissen und umfangreiche Recherche-, Planungs-, sowie Dokumentationsarbeiten. Sie sollte grundsätzlich vom Zuchtverein durch entsprechende verbindliche Schulung der daran teilnehmenden Züchter vorbereitet, begleitet und überwacht, sowie mit anderen Züchtern abgesprochen werden. Dies gilt für alle Bereiche/Stufen der Kreuzungszucht von der anfänglichen Zielformulierung bis zur abschließenden Überprüfung, ob dieses Ziel erreicht wurde und ggf. auch ob und wann eine solche Einkreuzung wiederholt werden sollte.

Das einfache „Drauflos-Kreuzen“ in Eigenregie, ohne entsprechenden Hintergrund, Zielsetzung und Überprüfung kann mehr Schaden als Nutzen für eine kleine Rasse-Population nach sich ziehen! Es ist nicht damit getan, einfach mal irgendeinen Hund zu nehmen, der unserem Deutschen Spitz möglichst ähnlich sieht, denn gerade das Aussehen spielt in diesem Kontext wohl die geringste Rolle, weil es am schnellsten und einfachsten zu beeinflussen/korrigieren ist.

 

 

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Ein Beispiel für professionelle Kreuzungszucht (Kromfohrländer), Drei-Säulen-Flyer