Ein offenes Wort an die Vereinszüchter

Liebe Züchterkollegen im Verein!

Manch einer mag sich durch meine Ausführungen auf diesen Seiten gehörig „auf den Schlips getreten“ fühlen.
Das ist aber nicht der Sinn meiner Ausführungen. Sinn meiner Ausführungen ist viel mehr, Miss-Stände offen zu legen, um die eigentlich jeder weiß, der sehenden Auges durch die Landschaft der Hundezucht geht. Meine Ausführungen mögen auf den einen Verein mehr zutreffen als auf einen anderen.  Ich möchte das auch nicht alles genauer zuordnen – ich möchte nur das „große Schweigen“ brechen.

Vereinzelt werden sicherlich auch einzelne Züchter indirekt angesprochen. Hierbei geht es darum, diesen Züchtern die Möglichkeit zu nehmen, über Fehler, die sie bei der Zucht gemacht haben zu schweigen, möglicherweise aus eigener Scham. Diese Möglichkeit will ich ihnen nehmen, weil ich der Ansicht bin, dass diese Züchter selbst weniger für solche Fehler verantwortlich sind, als viel mehr der Verein, in dem sie züchten.

Aufgabe eines Rassezuchtvereins ist die Beratung und Unterstützung seiner Mitglieder. Dazu gehört neben dem verbindlichen Angebot von Züchterseminaren, in denen Grundkenntnisse der Vererbungslehre, praktische Aspekte der Zucht und vieles mehr vermittelt werden, auch die Beratung bei der Auswahl geeigneter Partner zur Verpaarung ihrer Tiere. Ferner gehört dazu die Bereitschaft, auftretende Probleme mit den betroffenen Züchtern zu erörtern und Lösungen zu erarbeiten. Nur im offenen und ehrlichen Umgang können Probleme gelöst werden! Es gibt durchaus Rassezuchtvereine, in denen dies praktiziert wird und die Probleme ihrer speziellen Hunderasse dadurch einigermaßen unter Kontrolle bringen konnten.

Sicherlich ist es nicht immer einfach, vor allem, wenn ein Rassezuchtverein sehr groß ist und verschiedene Varietäten einer Hunderasse betreut, alle Züchter „unter einen Hut“ zu bekommen. In diesem Fall sollten züchterische Grundfragen ausschließlich von den Züchtern der entsprechenden Varietät, ggf. unter Beratung von Experten,  geklärt und entschieden werden. Es kann nicht sein, dass Probleme einer bestimmten Varietät dieser Hunderasse nicht gelöst werden, weil Vereinsmitglieder darüber abstimmen, die mit den Besonderheiten dieser Varietät nicht vertraut sind oder denen das Interesse an der Lösung solcher Probleme fehlt, nur weil sie die Mehrheit der Mitglieder stellen. Ebenso untragbar ist es, wenn (Haupt-)Zuchtwarte in Unkenntnis solcher Spezifitäten z.T. weitreichende Fehlentscheidungen treffen, die letztlich die gesamte Population dieser Rasse gefährden.

Wenn beispielsweise in einer winzigen Hundepopulation mit ohnehin bereits ingezüchteten Tieren einer Züchterin als Deckrüde auch noch der Wurfbruder ihrer Hündin vorgeschlagen wird, obwohl durchaus andere Rüden vorhanden sind, so darf man sich über das Ergebnis nicht wundern. Offenbar wird dieses Problem allerdings dann erst bei der Züchterin, wenn ihre Hündin z.B. tote oder geschädigte Welpen wirft. Keinem vernünftigen Züchter ist das gleichgültig, sondern er wünscht sich und seiner Hündin gesunde und vitale Welpen!

Man macht es sich zu leicht, wenn man in einem solchen Fall nur dem Züchter einen Vorwurf macht!

Hier ist nicht nur der Züchter verantwortlich für die Schädigung, sondern vorrangig auch der Verein/Zuchtwart, der dem Züchter einen solchen Vorschlag gemacht hat. Sicherlich kann man damit argumentieren, dass der Züchter diesen Vorschlag hätte ablehnen können. Das setzt aber einen Wissens- und Kenntnisstand voraus, der einerseits meist nur durch den Besuch eines Züchterseminars zu erreichen ist und andererseits spezifische Kenntnisse über die vorhandene Population erfordert, die insbesondere Züchter-Neulinge gar nicht ohne Weiteres haben können.

Wenn Züchter aber in einem solchen Fall damit rechnen müssen, dass mit dem Finger auf sie gezeigt wird, werden sie schweigen. Durch dieses Schweigen wird nur die züchterische Inkompetenz des Vereins verschleiert und die Tatsache, dass der Züchter mit seinen Problemen allein gelassen wird.

Insbesondere der Besuch von Züchterseminaren fördert neben der züchterischen Kompetenz des Einzelnen durch Wissenserwerb auch gleichzeitig den Austausch und die partnerschaftliche und verantwortungsvolle Zusammenarbeit der Züchter untereinander. Sie stellen das gesunde Gegengewicht zu Konkurrenzsituationen dar, wie sie auf Ausstellungen entstehen. Überwiegt auf Dauer die reine Konkurrenz, so verstärkt sich das Schweigen, weil jeder Züchter bestrebt sein wird, möglichst makellos dazustehen. (Wobei wir alle wissen, dass es weder makellose Züchter, noch makellose Hunde gibt!) Der Züchter selbst kann nur noch als Einzelindividuum reagieren und ist Fehlentscheidungen seines Vereins mehr oder weniger hilflos ausgeliefert.

Dies enthebt den Züchter jedoch keineswegs der Eigenverantwortung, sich vor(!) Einstieg in die Zucht ein akzeptables Maß an Basis-Wissen anzueignen und es während der züchterischen Tätigkeit ständig zu aktualisieren!

Wenn ich also Miss-Stände der Zucht offenlege, dann nicht mit dem Ziel, einzelne Züchter zu treffen, sondern mit dem Ziel, die Situation der Züchter in ihrem Verein darzustellen. Züchterische Fehler sind keineswegs ausschließlich dem Züchter, sondern viel mehr dem sie nicht angemessen betreuenden und beratenden Rassezuchtverein zuzuschreiben – einem Verein, der sich Problemen und Innovationen verschließt und damit gesunde Zucht in vielen Fällen unmöglich macht!

Das Problem ist, dass diverse Zuchtvereine weder ihren aktiven, noch ihre angehenden Züchtern das angemessene Problembewusstsein und Verantwortungsbewusstsein für die betreffende Gesamt-Hundepopulation vermitteln!

Dies ist der Grund, weshalb ich mich entschieden habe, in der „Dissidenz“ zu züchten und ich wünsche mir, dass Vereinszüchter erkennen, dass der Keil, der durch Sanktionierung der Zusammenarbeit zwischen verantwortungsvollen Züchtern innerhalb und außerhalb des Vereins zwischen die winzigen Populationen der Großspitze getrieben wird, das Ende für diese Hunderasse bedeutet, solange die Organisation und Inkompetenz des Vereins Züchter veranlasst, aus Gewissensgründen außerhalb des Vereins zu züchten.
Ich wünsche mir, dass Vereinszüchter ihr Schweigen brechen und sich nicht länger unter Druck setzen lassen, damit die Ursache der Probleme erkannt und behoben werden kann.
Ich wünsche mir, dass Züchter sich nicht länger für Dinge schämen, die sie nicht zu verantworten haben.

Ich wünsche mir aber auch Züchter, die, sofern sie selbst wissen, dass die Zuchtvorgaben ihres Vereins den Hunden schaden und über lange Zeit hinweg, entgegen jedem Menschenverstand auch nicht abgeändert werden, die Konsequenzen hieraus ziehen und ggf. zum Wohle ihrer Hunde diesem Verein den Rücken kehren. All diejenigen Züchter, die sich wissentlich und dauerhaft trotz alledem lieber schlechten Zuchtbedingungen eines Vereins unterwerfen und die Gesundheit der Hunde gegen (grundlos) bessere Welpenpreise, Pokale oder Pöstchen eintauschen, erinnern mich doch sehr an den Mann, der erst Vater und Mutter erschlägt und hernach den Richter um ein mildes Urteil bittet, weil er ja ein armer Vollwaise sei.

Ich wünsche mir einen Rassezuchtverein, der sich um die Belange seiner Züchter und der von ihnen gezüchteten Hunde angemessen kümmert.
Und vor Allem wünsche ich mir, dass die uralte Rasse der Großspitze erhalten werden kann!

Mit diesen Wünschen stehe ich sicherlich nicht allein da!

Abschließend möchte ich hier auf Frau Dr. Helga Eichelbergs „Gedanken zur zeitgemäßen Hundezucht“ verweisen, die einen Funken Hoffnung aufkeimen lassen angesichts der m.E. allzu vielen Entgleisungen der Hundezucht.

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