Das Bieler Ried – Eine Hommage an meinen Grossvater
Text und Bilder von Walter Winkler
Er gehörte zu seinen Lieblingsspaziergängen, der Paul Robert-Weg im Bieler Ried. Von der Villa Robert die sanfte Steigung hinan, vorbei am Kinderheim Stern. Etwa in der Mitte zum Rotgärtli findet sich heute noch eine Einbuchtung auf der rechten Mauerseite, die den Weg nach oben säumt. Hier muss einmal ein Haus gestanden haben, mögen sich Spaziergänger denken – was indessen auch zutrifft. Er mochte sich noch an frühere Ausflüge mit seiner Familie, an zahlreiche Exkursionen und Begehungen mit der Schule daran erinnern, dass das nun baufällige Haus lange Zeit Wind und Wetter trotzte. «Hier ist dein Grossvater Johannes aufgewachsen, hier hat er seine Kindheit und Jugend verbracht», sagten ihm seinerzeit seine Eltern. Ja, der Grossvater. Über ihn gab es leider keine Aufzeichnungen irgendwelcher Art, die den Nachkommen hätten übergeben werden können – man hatte nur ein paar Fotos, von jenem Rebhaus im Ried, von Grossmutter und Grossvater mit ihrem Wachhund «Seppli», ein Spitzer, treu aber bisweilen auch ein bisschen falsch, vor allem gegen das Enkelkind oder auch gegen den Briefträger. Als Hans-Peterli – eben, jenes Enkelkind – einmal die Grosseltern besuchte – sie verbrachten ihren Lebensabend in Ligerz – zerriss es den kleinen weissen Hund derart vor Eifersucht, dass er den Buben in die Ferse biss. Zum Geheul des Enkels gesellte sich bald auch das Gejaule des Hundes, dem der Grossvater gottsjämmerlich den Hintern verdrosch. Auch musste einmal die Grossmutter dem Briefträger die Hosen behelfsmässig nähen, weil der eifrige und pflichtbewusste Wächter ihn in den Allerwertesten biss und den Hosenboden verhudelte. Der Briefträger musste dann in der Küche in den Unterhosen zuwarten, bis die Dame des Hauses die Hose wieder einigermassen zusammengeflickt hatte und wieder angezogen werden konnte. Für «Seppli» hatten diese Eskapaden ausser herzhaftem Prügel keine Konsequenzen. Sonntags, wenn Grossvater zur Festi spazierte, eilte der treue Hund freudvoll voraus, wartete dann aber, um zu schauen, ob Grossvater denn auch wirklich nachkommt. Von weiteren Beissattacken ist indessen nichts bekannt.
Auf Grund der spärlichen Schwarz-Weiss-Fotos, aber vor allem auf Grund der teils flüchtigen, aber auch ausführlicheren Äusserungen von Verwandten und Bekannten, Äusserungen, die in ihm langsam nach und nach emporstiegen, ergaben sich für ihn ein buntes Mosaik, das er langsam und stetig zu einem lebendigen Porträt zusammenfügen konnte.