Nachdem Susanne zu Nikolaus 1988 den Otto als Gefährten bekommen hatte, hatte sie bis auf die Tatsache, dass sie – Gelegenheit macht Liebe – noch schnell eine weitere Läufigkeit eingeschoben hatte, sehr sehr lange geschmollt. Um es genau zu sagen: Sie war während des nächsten halben Jahres kaum aus ihrer Ecke hinterm Sofa gekommen. Es war das erste Mal, dass ich zu spüren bekam, wie extrem nachtragend Spitze sein können, wenn ihnen etwas nicht passt.
Nach etwa einem halben Jahr hatte Susanne sich aber nun offenbar damit abgefunden, dass sie zwar als Hündin immer noch die erste, nicht aber die einzige Geige spielte. Otto war auch ein wirklich gutmütiger Kerl, der seinerseits Susanne absolut vergötterte. Nachdem er anfänglich erst lernen musste, dass er einen eigenen Futternapf hatte, aus dem er beruhigt fressen durfte, gab es auch keine Probleme mehr, denn die Näpfe waren immer voll und so gab es keinen Anlass zu Futterneid oder sonstigen Streitereien. Er gab der Suse bereitwillig Alles ab – egal ob Futter oder Spielzeug. Nur eine einzige Ausnahme gab es: Seinen Knochen.
Wenn ich den Beiden mal einen Knochen mitbrachte, machte Suse sich sofort darüber her und knabberte und knusperte bis sie ihn aufgefressen hatte. Otto dagegen liebte es, seinen Knochen stundenlang erst einmal anzuhimmeln, zwischen den Pfoten zu drehen und zu bewundern und ab und an einmal darüberzuschlecken. Erst nach etlichen Stunden fing er schließlich an, ihn zu knabbern.
Das führte dann dazu, dass Susanne ihren Knochen grundsätzlich als Erste aufgefressen hatte und dann Ottos Knochen zum Nachtisch wollte. Sie versuchte es mit Spielaufforderungen und mit Hinlegen und Herumquietschen. Sie versuchte, den Knochen zu stiebitzen und sie versuchte, ihn mit Dominanzgehabe zu erstreiten. Aber so gutmütig Otto ja war – bei seinem Knochen kannte er kein Pardon! Er fletschte die Zähne und wenn Suse es übertrieb, dann war er auch zu einer Prügelei bereit. Darauf aber hatte Susanne wenig Lust, zumal sie dabei auch den Kürzeren zog und so blieb es dabei, dass Otto sein Knöchsken weiter zwischen den Vorderpfoten drehte und begutachtete,
Irgendwann dann beobachtete ich Folgendes:
Susanne hatte sich in der Wohnküche mal wieder mit Otto um seinen Knochen gezankt, hatte dann vergeblich versucht, ihn mit Spielaufforderungen davon wegzulocken und war schließlich unverrichteter Dinge und beleidigt abgedampft.
Sie legte sich vor die Haustür und blieb eine Weile dort liegen. Nach einer ganzen Zeit stand sie auf und lugte vorsichtig um die Ecke, was Otto wohl so machte. Dann stellte sie sich – Otto immer im Blick – in Richtung Wohnküche in Position und fing an, aufgeregt zu bellen, als ob jemand an der Tür wäre (obwohl dort tatsächlich niemand war).
Otto sprang sofort auf und rannte Richtung Tür, um sie zu unterstützen. Kurz bevor er jedoch dort ankam, kam Susanne ihm mit einem Höllentempo entgegen und fegte direkt zu seinem Knochen, den er natürlich in der Eile in der Wohnküche hatte liegenlassen. Als Otto bemerkte, dass überhaupt niemand an der Türe war und zurück kam, fand er dort die listige Susanne vor, die bereits genüsslich an seinem Knochen knabberte und ihn sich natürlich auch nicht mehr abnehmen ließ.
Obwohl Spitze ja eigentlich ein sehr gutes Gedächtnis haben, hat sie es irgendwie immer wieder geschafft, dieses gemeine Spielchen mit ihm zu treiben. Vielleicht lag es an Ottos besonderer Döspaddeligkeit oder an seiner Gutmütigkeit – ich weiß es nicht.