Otto

Spitznamen: „Zeckenfritz“ und (später) „Opi“

Unseren Otto habe ich zu Nikolaus 1988 geholt.

Er war schon sehr abgemagert und verängstigt im Umgang mit anderen Hunden. Er wohnte auf einem Bauernhof und war von der Familie als Gefährte für die Töchter ins Haus geholt worden. Die Familie liebt bis zum heutigen Tag Wolfsspitze und sie haben ihn nicht wirklich gern abgegeben, aber es ging nicht anders. Anfangs war alles gut gelaufen, aber als Otto mit einem 3/4 Jahr geschlechtsreif wurde, duldete der bereits vorhandene Hofhund, ebenfalls ein Wolfsspitz und in der Blüte seiner Jahre, den Jungspund Otto einfach nicht mehr in seinem Revier, ließ ihn nicht mehr an den Futternapf und war ihm auch sonst in keiner Weise mehr wohlgesonnen. Wie bös so etwas zwischen zwei erwachsenen großen Spitzbuben werden kann, brauche ich wohl nicht näher erläutern. Inzwischen lief Otto dann auch schon weg, verkroch sich ängstlich bei den Nachbarn und es ging gar nichts mehr. So musste die Familie, auch wenn es ihnen allen fast das Herz brach, für Otto eben ein neues Zuhause finden. Wie schwer das ist und wie weh es tut, kann ich gut verstehen, denn es ging mir ja mit der lieben Pepper auch nicht anders.

Eine Zeit lang kamen sie Otto auch noch bei uns besuchen. Aber weil ich merkte, dass Otto dadurch immer sehr durcheinander war, hatte ich sie schließlich darum gebeten, ihn nicht mehr zu besuchen.

Der Name Otto ist übrigens die neuere, bzw. hochdeutsche Form des altgermanischen Namens Odo oder Audo, auf den u. A. auch der Name Udo zurückgeht. Die Wurzel des Namens war das altgermanische „aud-“ oder auch „udal-„, was soviel bedeutet wie „Besitz, Erbe“.

Am ersten Tag verstanden sich Otto und Susanne prima. Bis zum Abend. Otto hatte natürlich seinen eigenen Futternapf bekommen und Susanne sah es als ihr selbstverständliches Recht an, aus beiden Näpfen zu fressen – Otto stand ängstlich daneben. Also hatte ich der jungen Dame ihre Grenzen aufgezeigt und geklärt, dass sie an dem zweiten Napf nichts verloren hatte. Danach musste ich Otto mehrere Tage lang geduldig daran gewöhnen, dass er aus seinem Napf fressen durfte. Fressen unter meiner Aufsicht also. Susanne war zutiefst beleidigt und da habe ich auch zum ersten Mal erlebt, wie ungeheuer nachtragend so ein Spitz sein kann.

Otto (1997)

Otto (1997)

In der ersten Zeit war dann das Verhältnis der beiden noch etwas getrübt, weil Susanne eingeschnappt war, aber es besserte sich von Tag zu Tag. Kurz vor Weihnachten beschloss Susanne dann – Gelegenheit macht Liebe – obwohl sie in diesem Jahr bereits zwei mal läufig gewesen war, noch ein drittes Mal läufig zu werden. Da zu dem Zeitpunkt die Trennung der Hunde für mich sehr problematisch war, war für Otto also ein Termin beim Tierarzt angesagt.

Otto und Susanne vor Hagenbecks Tierpark

Otto und Susanne vor Hagenbecks Tierpark

Ich habe mir die Finger wund telefoniert, um einen Tierarzt zu finden, der bereit war, Otto zu sterilisieren, weil eine Kastration für meinen Hund nicht in Frage kam (Eine Kastration ohne medizinische Notwendigkeit ist in m.E. eine Verstümmelung und ein mit dem Kupieren der Rute oder Ohren gleichzusetzender Verstoß gegen das Tierschutzgesetz!). Bei dieser Operation fiel Otto nach der eigentlichen Operation leider noch einmal in die Narkose zurück und litt dann später, bedingt durch den erlittenen Sauerstoffmangel, lange unter sog. Fokalanfällen, einer Form der erworbenen Epilepsie, bei der zunächst meist eine Pfote zu krampfen beginnt und sich der Anfall von dort aus dann über den gesamten Körper ausbreitet. Diese Anfälle hatte er aber ausschließlich während der Läufigkeit der Hündinnen und darum ließen sie sich gut mit Medikamenten unter Kontrolle halten. Im Alter von etwa 8 oder 9 Jahren hörten sie auch auf.

Nee, Otto. Das steht dir wirklich nicht!

Nee, Otto. Das steht dir wirklich nicht!

Otto war eine absolute Seele von Hund und im Vergleich zu der sehr temperamentvollen Susanne sehr ruhig. und gemütlich. Von den Kindern ließ er sich wirklich alles gefallen, so dass ich teilweise schon gewitzelt habe, dass Otto vermutlich selbst dann noch vor Freude mit dem Schwanz zu wedeln versuchen würde, wenn die Kinder ihn an den Hinterbeinen hinter sich herziehen würden. Er hatte eine richtige Engelsgeduld und machte ausnahmslos jeden Blödsinn mit. Im Grunde fand ich ihn für einen Spitz schon beinahe aus der Art geschlagen. Die absolut einzige Gelegenheit, bei der er böse werden konnte, war, wenn Susanne versuchte, ihm einen Knochen abzunehmen.

Das große Wollknäuel geb ich nicht mehr her!

Das große Wollknäuel geb ich nicht mehr her!

Als 1998 da Vinci bei uns einzog, war Otto ihr liebster Spielgefährte. Er knuddelte mit ihr und für sie gab es sicher nichts Schöneres, als so ein riesiges lebendiges Wollknäuel für sich ganz allein zu haben. Manchmal krabbelte sie ihm in die Schnauze, dass ein Fremder wahrscheinlich Sorge gehabt hätte, dass Otto das winzige Kätzchen fressen würde.

 

Otto passt auf, dass nicht zu viel Blödsinn gemacht wird.

Otto passt auf, dass nicht zu viel Blödsinn gemacht wird.

In der Nacht vom 01. zum 02. Juni 1999 – unser Kätzchen war eine ausgewachsene Katze geworden – wurde da Vinci Mutter und schon während der Geburt der Winzlinge wich Otto ihr nicht von der Seite. Er lag nur noch im Katzennestchen und wärmte die Kleinen, wenn da Vinci mal kurz weg musste. Dabei mussten wir immer aufpassen, dass er die Kleinen nicht aus Versehen erdrückte, denn Otto war zwar totgut, aber auch ein bisschen döspaddelig. Als die Kleinen dann größer wurden, hingen sie teilweise in seinem Fell wie Christbaumkugeln. Seine größte Freude war es, wenn er bei den Katzenwelpen sein konnte.

Otto mit Klein-Rosi

Otto mit Klein-Rosi

So begleiteten mich Otto und Susanne über viele Jahre hinweg durch mein Leben bis schließlich sehr unerwartet unser liebes Süß-chen uns verließ. Otto wurde krank und hustete, aber es ließ sich keine Ursache finden. Er hatte keinen Infekt und nichts. Der einzige Grund, der meiner Tierärztin damals einfiel, war, dass das bei Otto psychisch bedingt sein müsse, weil er ganz offensichtlich ganz furchtbar unter Susannes Tod litt. Er hatte ja immerhin 13 Jahre seines Lebens mit ihr verbracht!

Bemerkenswerterweise hatte Otto sein Leben lang eigentlich nie von sich aus gemeldet, sondern war grundsätzlich immer in Susannes Gefolge. Schlug Susanne an, fiel Otto in ihr Gebell ein. Nachdem sie gestorben war, wachte Otto überraschend selbständig und meldete brav!

Gesundheitlich aber ging es Otto von Tag zu Tag schlechter und da auch ich sehr unter dem Verlust meiner Susanne litt, meinte die Tierärztin, die einzige Medizin, die sie uns beiden vorschlagen könne, wäre eine schwarze Großspitzin….

Und so kamen wir eben zu unserem Banjalinchen.

Auf dem Weg zu Banja - Schaffhausen

Auf dem Weg zu Banja – Schaffhausen

Otto war natürlich mit in die Schweiz gefahren und ist mit meinem Sohn und mir noch in Schaffhausen am Rheinfall den Felsen hinaufgekraxelt. Nur beim Herunterklettern hat der inzwischen auch schon alte Herr schlappgemacht und so habe ich ihn den Rest hinuntergetragen. Nachdem wir die kleine Banja geholt hatten, ist das alte Öttchen wieder richtig aufgeblüht.

Otto hatte sich ja bei den kleinen Kätzchen schon als rechter vierbeiniger Kindergärtner und Sozialarbeiter erwiesen und als er dann einmal mitbekam, dass ich beim Wintereinbruch ein zu klein geratenes Igelchen mitnahm, achtete er grundsätzlich im Winter darauf, ob er kleine Igelchen fand und wenn das der Fall war, blieb mir nichts anderes übrig, als meine Jacke auszuziehen und das Igelchen darin eingepackt mitzunehmen. Otto ging nicht eher weiter, als bis ich das Kerlchen hochnahm. So brachte ich über Jahre hinweg also immer kleine Igelchen durch den Winter.

Kitty und Otto teilen sich einen Sonnenstrahl

Kitty und Otto teilen sich einen Sonnenstrahl

Nachdem 2001 Kitty Katzinski bei uns einzog, weil Richard nach dem Tod seiner Mutter wieder Katzengesellschaft haben sollte, entwickelte sich zwischen Otto und Kitty eine sehr enge Beziehung und Kitty rollte sich für ihr Leben gern zwischen Ottos Vorderpfoten oder neben ihm ein zum Kuscheln.

 

 

Als wir dann im Paderborner Tierheim eine gescheckte Mittelspitzin besucht hatten, waren wir ungeplant mit einem Spitzerich mehr zurückgekommen, als auf der Hinfahrt. Unser Griepto! Ich habe selten erlebt, dass zwei ausgewachsene Spitz-Rüden sich so prächtig verstanden haben wie Otto und Griepto. Aber die beiden mochten sich auf Anhieb.

Griepto war vielleicht gerade 14 Tage bei uns, als Otto ein totales Nierenversagen erlitt. Eigentlich eine Diagnose, die keinen Spielraum mehr lässt. Selbst beim Menschen, mit Dialysegeräten (die mir ja für einen Hund nicht zur Verfügung standen), ist die Prognose bei totalem Nierenversagen sehr schlecht. Aber unser Tierarzt wusste, dass ich in einem solchen Falle wirklich Alles tun würde für meinen Alten und in guter Zusammenarbeit haben wir es auch geschafft, dass das Öttchen wieder auf die Pfoten kam. Etwa 2-3 Wochen lang habe ich den alten Knaben zum Gassigehen getragen. Natürlich mit Griepto und Banja gleichzeitig an der Leine. In dieser Zeit wurde ich von vielen Leuten bitterböse angefeindet, warum ich den Hund nicht erlösen wurde. Aber Otto signalisierte mir sehr deutlich, dass er gerne weiterleben wollte. Und einzig und allein das war für mich ausschlaggebend. So habe ich Otto festgehalten, damit er sein Geschäftchen erledigen konnte und ihn anschließend zur Sicherheit festgebunden, wo er dann gewartet hat, bis ich mit den anderen beiden ein Stück gelaufen war. Dann habe ich ihn wieder nach Hause getragen, wo ich ihn Tag für Tag mit fingernagelgroßen Fisch-Stückchen aufgepäppelt habe, weil das das Einzige war, was er fressen mochte. Nach ungefähr 2-3 Wochen konnte er dann wieder einige Schrittchen laufen und das haben wir dann Tag für Tag ein bisschen gesteigert, bis es ihm wieder altersgemäß gut ging.

Otto, Griepto und Banja

Otto, Griepto und Banja

Griepto hat diese Situation nicht, wie man vermuten könnte, gleich ausgenutzt um die Rudelführung an sich zu reißen. Er wuselte jeden Tag ganz besorgt um Otto herum und erst, als er meinte, dass Klein-Banja jetzt doch mal langsam etwas mehr Hunde-Erziehung bräuchte (sie war mitten im schönsten Flegelalter) und Otto das nicht mehr schaffen würde, übernahm er die Führung innerhalb des Rudels. Souveräner hätte er sich gar nicht verhalten können! Als es Otto dann langsam besser ging, war er zwar in der Rangordnung an letzter Stelle, doch das tat ihm nur gut, weil er so nicht mehr die Verantwortung hatte, die die Rudelführung mit sich bringt, sondern im Gegenteil – als Schwächster hatte er den Schutz des Rudels!

So haben wir noch ein paar wirklich schöne Jahre miteinander erleben dürfen!

3 auf einen Streich! (Otto, Griepto und Banja)

3 auf einen Streich! (Otto, Griepto und Banja)

Mit der Zeit wurden Ottos Augen leider immer schlechter und schließlich erblindete er völlig. Als dann auch sein Gehör nachließ, wurde er sehr schreckhaft, weil er ja bei Berührung erst einmal nicht wusste, wer oder was das war und was im nächsten Augenblick passieren würde. Dadurch bedingt fühlte er sich bei Spaziergängen einfach wohler, wenn er an der Leine war und auch ein bisschen Zug auf der Leine war, So wusste er, dass ich am anderen Ende und bei ihm war.

Der alte Knabe wird fürsorglich von Banja geputzt

 

 

Nach dem Umzug in unser jetziges Haus gewöhnte er sich erstaunlich schnell ein. Ich denke, dass er, wie auch blinde Menschen, sich den Grundriss der Wohnung gemerkt hatte und auch wusste, wo was stand.

Gilla und ihr neuer Opi Otto

Gilla und ihr neuer Opi Otto

 

 

 

 

Er lernte auch Gilla noch kennen, die zu „ihrem Opi“ eine sehr enge liebevolle Beziehung hatte.

Altenpflegehelferin

Altenpflegehelferin

Gilla kuschelt mit Opi Otto

Gilla kuschelt mit Opi Otto

 

 

 

 

 

 

In seinem letzten Sommer war Otto mit uns allen auf einem Spitztreffen im Hunsrück. Da er den langen gemeinsamen Spaziergang nicht mehr geschafft hätte, wurde kurzerhand von der dortigen Spitzfreundin extra für ihn das „Ottomobil“ konstruiert: Ein Bollerwagen, der mit einer Deichsel so ausgerüstet wurde, dass er von 2 Howawarten gezogen werden konnte. Nachdem er beim ersten Anziehen zunächst Angst hatte, genoss er die Fahrt darin hinterher sehr. Er bekam auch lustige Gesellschaft von etlichen Mittelspitzwelpen, die ebenfalls nicht mehr laufen konnten.

2 Howis ziehen den fast 18jährigen Otto beim Spitztreffen im eigens für ihn angefertigten Ottomobil

„Eine Kutschfahrt, die ist lustig…“ – 2 Howawarte ziehen den fast 18jährigen Otto beim Spitztreffen im eigens für ihn angefertigten Ottomobil

So viele Spitze - echt anstrengend!

So viele Spitze – echt anstrengend!

 

 

 

So viele Spitze auf einmal - dass ich das noch erleben kann!

So viele Spitze auf einmal – dass ich das noch erleben kann!

 

 

 

 

 

 

Der neue Body sitzt wie angegossen!

Der neue Body sitzt wie angegossen!

 

Mit der Zeit wurde er dann „untenrum“ ein wenig undicht, wenn er sehr tief schlief. Anfangs reichte es, wenn einfach sein Schlafdeckchen täglich gewaschen wurde. Später dann fing er zwischendurch zu tropfen an und konnte auch nicht mehr so lange anhalten. So haben wir einfach für ihn weitere kleine Spaziergänge eingeschoben und zu Hause bekam er einen schicken Body an mit Inkontinenzeinlage für Männer. Damit kamen wir alle gut zurecht.

Als Otto im darauffolgenden Winter offensichtlich auch noch dement wurde (Er verlor vollkommen die Orientierung und stand dann z.B. schreiend in der Zimmerecke, aus der er nicht mehr herausfand) und zusätzlich auch mit der Hüfte nicht mehr hoch und runterkam, haben wir ihn schließlich schweren Herzens gehen lassen.

Nachdem er bis dahin fast die Häfte meines Lebens mit mir verbracht hatte, schlief er mit ungefähr 18 Jahren am 14. Januar 2006 wohlbehütet im Kreis seiner Lieben bei uns zu Hause ein.

Eine Sonnenblume für den Sonnenschein - Ottos Sonnenblume

Eine Sonnenblume für den Sonnenschein – Ottos Sonnenblume

 

2 Gedanken zu „Otto

  1. E. Steffen

    eine herzergreifende Geschichte – und toll, dass Otto trotz aller Widrigkeiten ein so tolles Alter erreichte.
    Natürlich fordert das sehr viel von den betreuenden Zweibeinern (ich kenne aus Erfahrung einen solchen Fall) – aber was tut man (frau) nicht alles für die, die man liebt.

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