Seit urewigen Zeiten liebe ich es, sehr spät abends oder nachts mit meinen Hunden ausgiebig spazieren zu gehen. Zum Einen genieße ich die Ruhe und Stille der Nacht und zum Anderen finde ich, dass man nach ausgiebiger Bewegung an der frischen Luft anschließend umso besser schlafen kann. Ganz besonders toll finde ich Spaziergänge im Sturm, in lauen Sommernächten oder auch klaren Winternächten mit Vollmond und das Allerschönste ist, wenn ich dann mit meinen Hunden durch noch jungfräulichen Schnee laufen kann. Da muss ich mich bisweilen beherrschen, damit ich nicht bis zum Morgen hindurch laufe…
So eine wunderschöne klare Vollmondnacht mit klirrendem Frost, aber ohne Schnee, hatten wir auch im Winter 2003/2004, als ich Otto, Banja und Griepto ins Auto packte und mit den Dreien mal wieder in die Felder fuhr. Otto war zwar schon taub und fast blind, aber er blieb ja immer in Grieptos Nähe (so viel konnte er normalerweise noch erkennen) und auf dem Weg. Ob er auf dem Weg war oder nicht, konnte er offensichtlich mit den Pfoten spüren. Im Gegensatz zu anderen Hunden, die ich vor meinen Spitzen hatte, war mir aufgefallen, dass Spitze ohnehin am liebsten über Wege laufen, sofern sie nicht gerade ihr Geschäft erledigen oder etwas Interessantes zum Schnüffeln finden. Aber auch dann kehren sie in der Regel schnell wieder auf den Weg zurück.
Ich holte die Drei also aus dem Auto und leinte sie ab, sobald wir das freie Feld erreicht hatten. So gingen wir also eine ganze Weile durch die Nacht und sogen die frische, kalte Luft in unsere Lungen. Ab und zu liefen die Drei mal an einer Wegkreuzung ein Stück den anderen Weg entlang und kamen dann zurück. Dann liefen sie wieder voraus oder verschwanden schnüffelnd hinter einem Busch. Üblicherweise brauche ich meine Hunde auch nicht zu rufen – sie achten selbst darauf, sich nicht allzu weit von mir zu entfernen. Nachdem wir ca. 2 Stunden so durch die Nacht gelaufen waren, dachte ich, es wäre nun an der Zeit, zurück zu gehen, da unser Otto ja inzwischen nicht mehr der Jüngste war (fast 16) und ich wollte ihn auch nicht überfordern. An einem kleinen Hag drehte ich also um – einen Bogen zu laufen, wäre zu weit gewesen – und ging den Weg zurück. Die Drei schnupperten noch ein wenig an den Bäumen und kamen dann hinterher.
Auf dem Rückweg hatten sie an einem der kreuzenden Wege wohl eine besonders interessante Stelle gefunden, an der sie sich lange aufhielten. Also hatte ich gewartet und Banja, die es genoß, so richtig durchstarten zu können, kam in einem höllischen Tempo den Weg heraufgeflitzt. Griepto, der zwar auch sehr schnell war, wenn es darauf ankam, liebte aber eher die gemütliche Art und hatte sich daher wohl entschlossen, ausnahmsweise mal quer übers Feld zu laufen. Normalerweise hatte er unser altes Öttchen dann im Schlepptau, aber dieses Mal war Otto wohl irgendwie verschütt gegangen.
Also ging ich zurück, in den anderen Weg hinein bis zu dem Busch, an dem die Drei so lange geschnuppert hatten. Otto war nicht da! Rechts und links waren die Ackerfurchen frisch gezogen worden und so tief, dass man nicht bis auf den Boden schauen konnte. Da der Mond sehr hell schien, hatte ich keine Taschenlampe dabei und der Mond stand in einem solchen Winkel, dass absolut nichts zu erkennen war. Ich hatte die schlimmsten Befürchtungen, dass er dort hineingefallen sein könnte und vielleicht wieder eine seiner Ohnmachten erlitten haben könnte, die er ab und zu hatte. So liefen wir Drei also überall herum und suchten unser Öttchen – rufen macht ja keinen Sinn bei einem Hund, der taub ist.
Ich war der Verzweiflung nahe, als uns nach ca. einer Stunde unser alter Knabe von dem Punkt des Weges entgegenkam, an dem wir umgekehrt waren!!!
Er hatte die Nase auf dem Boden und war offensichtlich, als er merkte, dass er uns verloren hatte, unserer ganzen Spur zurück gefolgt. Die Nase war ja der einzige Sinn, der bei ihm noch gut funktionierte und so hatte er wohl gemeint, dass er auf diese Weise den Weg zurück bis zum Auto finden müsste. Als er merkte, dass wir ihm entgegenkamen, war er vollkommen außer sich vor Freude und kam auf uns zugerannt, so schnell er konnte. Wir drei liefen ihm natürlich auch entgegen. Ich glaube, ich habe noch selten einen Hund gesehen, der sich derart gefreut hat. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit. Überglücklich schloss ich den alten Knaben in meine Arme und leinte ihn an.
Danach wollte Otto nie wieder ohne Leine laufen und achtete stets darauf, dass immer ein wenig Zug auf der Leine war. So wusste er (und auch ich), dass ich bei ihm war und ihm so etwas nicht mehr passieren konnte!