Susanne

Spitznamen: „Suse“, „Süßchen“ und „Kleines Mistvieh“

Nachdem Susanne am 27. April 1987 auf einem Bauernhof in Hamm/Westf. zur Welt kam und später dann verkauft wurde, brachte das Mädel eine rechte Odyssee hinter sich, bis sie schließlich im September bei mir einzog.

Mein absoluter Traumhund war ja ein weißer Großspitz gewesen und ich hatte überall versucht, diesen Traumhund zu bekommen. Eine gute Freundin von mir hatte eine Hündin, mit der sie ab und zu auch einen Wurf machte und bei ihr hatte ich meinen Traumhund bestellt. Nur leider hatte die Hündin beim Deckakt nicht aufgenommen und als die nächste Läufigkeit bald zu erwarten war, war der Rüde traurigerweise totgefahren worden. Meine Freundin und ihr Mann hatten halb Westfalen abgeklappert, um einen jungen Spitzerich zu finden, doch leider zunächst erfolglos. Dann hatte ein Vereinszüchter mir eine junge Wolfsspitzin angeboten, die vom Käufer zurückgekommen war. Aber ich wollte eben einen Großspitz! Nach jahrelanger vergeblicher Suche, bei der mir u.A. auch Eyke Schmidt-Rhode vom VfDSp ihre Hunde anpries und mir stolz erzählte, dass diese ja besonders viel Fell hätten, weil sie den Wurf mit einer Großspitzin und einem Samojedenspitz gemacht hatte (wobei ich nicht bereit war, 1200 DM für einen Spitz-Mischling zu bezahlen), war ich bereits sehr frustriert und nahe daran, die Suche nach meinem Traumhund aufzugeben. Im September 1987 hatte ich mich dann doch entschlossen, mir eine Hündin anzusehen, die in der Zeitung als Wolfsspitz annonciert war, denn auch ich hatte diese meine Odyssee leid,

Um so überraschter war ich, als sich dieser Wolfsspitz als schwarze Großspitzin entpuppte!!!

Für Nicht-Eingeweihte muss man hier vielleicht zur Erklärung sagen, dass schwarze Großspitze in Westfalen bestens bekannt sind. Sie werden aber als „schwarze Wolfsspitze“ bezeichnet, gelten als erheblich wachsamer als normale Wolfsspitze und sind äußerst selten, aber begehrt. Dies gilt sicherlich nicht für Mitglieder von Zuchtvereinen (dort war der Begriff „Schwarzer Großspitz“ natürlich bekannt), sondern für die Bauernschaften, wo dieser Hund ja nicht nur seinen hauptsächlichen Ursprung hat, sondern auch zweckbestimmt gehalten wird.

Susanne hieß ursprünglich „Trixi“. Da ich allerdings diesen Hundenamen grauenhaft finde, wurde sie kurzerhand mit dem schönen Namen Susanne bedacht. Dieser Name enstammt der ausgestorbenen Sprache der Elamer (nicht, wie oft fälschlich angenommen der Hebräer!) und bedeutet „Lilie“. Die Verniedlichungsform „Susi“ war bei uns allerdings ebenfalls gehasst und daher verpönt. Stattdessen haben wir sie oft liebevoll „Suse“ oder „Süßchen“ genannt.

Die halbwüchsige Suse hat mein Herz im Sturm erobert und so wurde ich schließlich ihre fünfte(!) Besitzerin (und mein Traumhund wechselte über Nacht die Farbe). Ein so häufiger Besitzerwechsel bei einer so jungen Hündin ist sicherlich hart, aber meine Süße hatte erstaunlicherweise absolut keinen Schaden genommen. Sie liebte nicht nur mich, sondern auch meine Kinder abgöttisch und so waren wir in Nullkommanix ein eingeschworenes Team.  Mein jüngster Sohn lernte gerade das Laufen, aber es gab nicht das geringste Problem, wenn er hinfiel.

Bei Hunden, die Jagdtrieb haben (was auf nahezu alle anderen Hunderassen zutrifft), kann das Hinfallen eines Kindes den Beutetrieb auslösen. Wenn das geschieht, schnappt der Hund zu – egal, wie kinderlieb er ansonsten ist. Denn der Beutetrieb unterliegt nicht seiner Kontrolle. Aus diesem Grund ist ein Spitz, der keinen Jagdtrieb (und somit auch keinen Beutetrieb) hat, gerade für kleine Kinder besonders ideal. Meines Erachtens ist dies einer der wichtigsten Aspekte, die bei der Zucht berücksichtigt werden müssen – weit wichtiger, als beispielsweise die Fellmenge, ein andersfarbiges Fleckchen im Fell oder ein nicht hundertprozentig aufgestelltes Ohr!

Nachdem die liebe Suse bereits ein halbes Jahr bei uns wohnte, versöhnte ich mich mit meinem Ehemann, von dem ich zuvor getrennt gelebt hatte. Suse akzeptierte ihn zwar, aber sie ließ sich von ihm herzlich wenig sagen. Typisch Spitz – hatte sie nämlich nur eine einzige Chefin und das war ich. Das bekam mein Mann zu spüren, als ich zur Arbeit ging. Da ich keine Hunde im Bett oder auf dem Sofa dulde, wollte mein Mann sie vom Sofa herunterjagen, auf das sie sich gelegt hatte, nachdem ich zur Arbeit gegangen war.

Nun muss man die Sache einfach aus der Sicht des Hundes betrachten:

Aus Susannes Sicht war sie, sobald ich das Haus verließ, dafür verantwortlich, dass in meiner Abwesenheit Alles bewacht wurde und in Ordnung blieb. Sie war also quasi meine Stellvertretung – stellvertretende Chefin. Für einen Hund ist die Position des Sitzplatzes abhängig von der Stellung im Rudel: Je höher die Position in der Rangordnung, desto höher der Sitz- oder Liegeplatz. Daher stand ihr – in meiner Abwesenheit – der Sitz- und Liegeplatz auf dem Sofa während dieser Zeit zu. Gleichzeitig bot ihr dieser Platz eine bessere Übersicht über den Bereich, den sie zu bewachen hatte. Meinen Mann betrachtete sie nicht als mir gleichwertig, sondern als meinen Besitz.

Das Ergebnis war, dass sie, als mein Mann sie vom Sofa verjagen wollte, wie ein Berserker auf ihn losging und er bekam gerade noch mein Lieblingskissen zu fassen, um es zwischen sich und Susanne zu bringen. Von diesem Kissen blieben nur noch Fetzen übrig!

Sie hat ihn Zeit ihres Lebens immer bewacht, wie sie auch mein Fahrrad oder meine Einkaufstasche bewacht hätte – sie betrachtete ihn eben als mein Eigentum, für das sie verantwortlich war. Von dieser Einstellung wich sie niemals ab, obwohl meinem Mann diese Rolle wirklich nicht zusagte. Sie fraß auch nichts, was er ihr hinstellte. Sie fraß, wie es sich für einen guten Wachhund gehört, grundsätzlich nur, was ich ihr gab. So lange er in meiner Abwesenheit nicht versuchte, sie in ihrer Rolle als Hüterin des Hauses anzugreifen, war sie auch zu ihm immer totgut und lieb.

Als ich einmal ins Krankenhaus musste, hatte sie in meiner Abwesenheit das Fressen aus diesem Grunde natürlich vollkommen verweigert, so dass mir am Ende nichts Anderes übrigblieb, als nach 10 Tagen auf eigene Verantwortung das Krankenhaus zu verlassen, damit sie nicht verhungerte.

Außer, wenn ich zur Arbeit ging, begleitete sie mich praktisch auf Schritt und Tritt. Ich konnte sie problemlos vor Geschäften ablegen oder auch beim Tierarzt. Sie gehorchte aufs Wort.

Drei Freunde auf dem Weg ins Land der 1000 Abenteuer

Drei Freunde auf dem Weg ins Land der 1000 Abenteuer

Ganz besonders ins Herz geschlossen hatte sie Kinder. Wenn ich mit ihr ohne Leine durch die Fußgängerzone ging, wich sie mir normalerweise nicht von der Seite. Die einzige Ausnahme war, wenn sie dort sah, dass jemand sein Kind schlug. Dann musste ich sehr schnell sein, um sie am Halsband zu fassen zu bekommen. Ansonsten stürzte sie dort hin und stellte sich zähnefletschend zwischen das Kind und denjenigen, der es geschlagen hatte. Ich bin sicher, dass sie übelst gebissen hätte, wenn das Kind weiterhin geschlagen worden wäre. Ich denke, wenn jedes misshandelte Kind einen solchen Hund hätte, dann wären Jugendämter wohl überflüssig.

Ich selbst bekam das zu spüren, wenn ich nur mal etwas lauter gegenüber meinen eigenen Kindern wurde (z.B. als mein älterer Sohn im Keller gezündelt hatte). Dann stand Susanne wie aus der Erde gewachsen vor mir. So sehr sie mich vergötterte – ich wäre mit ihr nicht mehr froh geworden, wenn ich meine Kinder auch nur ein einziges Mal geschlagen hätte!

So erzog mich Susanne zu einer Spitzfreundin, die nie wieder einen anderen Hund haben möchte als einen Spitz! Wir haben viele tolle und auch verblüffende Sachen mit ihr erlebt, von denen einige unter den „Tiergeschichtchen“ zu lesen sind.

Zu Nikolaus 1988 holte ich den Wolfsspitz Otto dazu, damit sie einen Hunde-Gefährten hätte. Zwar schob sie – Gelegenheit macht Liebe – noch eine dritte Läufigkeit ein (obwohl sie in dem Jahr bereits zweimal läufig gewesen war), aber ansonsten war sie zutiefst gekränkt, dass ich noch einen zweiten Hund geholt hatte. Sie kam ein halbes Jahr lang kaum aus ihrer Ecke hinterm Sofa und war beleidigt. Einen so unglaublich nachtragenden Hund hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Aber Spitze sind eben anders.

Bitte ganz schnell trockenrubbeln!

Bitte ganz schnell trockenrubbeln!

Was Susanne gar nicht mochte, war Wasser. Wenn es regnete und die Wiese nass war, hatte ich ein Problem. Susanne erledigte ihre Geschäftchen grundsätzlich nur auf Wiese – erdiger Untergrund war ihrer Meinung nach nicht dafür geeignet (Da wurde das Pipi nicht gleich vom Untergrund aufgesogen, sondern lief ihr manchmal an die Füße!). Wenn es geregnet hatte, testete sie mit einer Vorderpfote, ob die Wiese nass war und dann erledigte sie nicht ihr Geschäft. Egal, ob ihr die Augen fast aus dem Kopf quollen. Selbst, wenn wir durch den Regen gelaufen waren und ihr eigener Pelz vor Nässe triefte – Susanne ging nicht auf die Wiese zum K…. Da war sie stur. Zum Glück kannte ich eine Stelle unter einer Brücke, an der spärlich einzelne Graspflänzchen vor sich hinvegetierten. Das war in solchen Fällen die einzige Möglichkeit.

Gingen wir in einem See oder am Meer schwimmen, so blieb sie brav bei unseren Sachen am Strand und wartete, bis wir wieder zurückkamen.

Suse auf Urlaub in Californien

Suse auf Urlaub in Californien

In einem Jahr hatten wir uns mit den Kindern eine schöne Sandburg am Strand gebaut, wo wir in der Mittagssonne gemütlich unterm Sonnenschirm lagen. Die Hunde lagen die meiste Zeit bei uns – ab und zu gingen sie mal ein paar Schritte hinaus und um die Sandburg herum. Plötzlich kamen unsere „Nachbarn“ und beschwerten sich ärgerlich. Da war unsere Susanne aus der Sandburg marschiert, war bis zu der nächsten Sandburg gegangen und hatte sich dort zum Pieseln in den Sand gesetzt – stubenrein, selbst in der Sandburg! Naja, wir haben den nassen Pipi-Sand dann in ein Tütchen gepackt und so war das Drama beendet.

Auch beim Paddeln mit dem Canadier kamen Suse und Otto natürlich mit. Aber so ganz geheuer war den beiden das schwankende Boot nie.

Alt - aber allzeit bereit

Alt – aber allzeit bereit

Sie lief mit großer Begeisterung am Fahrrad mit und lernte bis ins hohe Alter noch gern immer wieder neue Kunststückchen. Obwohl sie ganz üble Erfahrungen mit einem Kater gemacht hatte, der gern Hunden auflauerte, um ihnen dann ins Genick zu springen und sie zu verprügeln, ließ sie sich von uns überzeugen, dass es auch freundliche Katzen gibt, als unsere kleine da Vinci bei uns einzog. Sie und auch ihre Kinderschar hat sie dann beschützt und mit Argusaugen über ihr Wohlergehen gewacht. Sie hat auch in Teamwork mit unserem Katzitatzi ein zum Auftauen herausgelegtes Hähnchen mit dem Inhalt des Bio-Mülleimers zu einem hübschen Frühstücks-Buffet hergerichtet und Manches mehr.

Zwölf Jahre und ein bisschen weise - unsere inzwischen eisgraue Susanne (1999)

Zwölf Jahre und ein bisschen weise – unsere inzwischen eisgraue Susanne (1999)

Susanne war meine ganz große Hundeliebe. Ein Hund, mit dem dem man sich vollkommen ohne Worte versteht. Sie wusste immer, was ich wollte.

Ein sehr müdes altes Mädchen

Ein sehr müdes altes Mädchen

Ende März 2002 hatte sie wohl bei einem Spaziergang in eine Scherbe getreten. Gegen Mittag bemerkte ich, dass sie einen regelrechten Seemannsgang hatte und war, als ich die Wunde an ihrer Pfote gesehen hatte, umgehend mit ihr zum Tierarzt gefahren. Sie hatte bereits hohes Fieber und bekam sofort ein Antibiotikum. Es half aber nichts. Am nächsten Tag konnte sie kaum noch auf den Beinen stehen und am dritten Tag hatte sie nur noch übelste Streckspasmen. Sie wollte selbst das Wasser, das ich ihr tropfenweise zu geben versuchte, nicht mehr annehmen. Es war bitter, aber leider klar, dass sie sich verabschieden wollte.

So haben wir sie dann schweren Herzens am 1. April 2002 erlöst.

Vera amica est tamquam altera eadem!

(Eine wahre Freundin ist wie das andere Ich!)

Die alte Susanne

Die alte Susanne

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