1804 – Ein Spitz nimmt einem diebischen Hunde ein seiner Aufsicht anvertrautes Stück Fleisch wieder weg

Verfasser unbekannt

Quelle:
Thierseelen-Kunde auf Thatsachen begründet
oder
156 höchst merkwürdige Anekdoten von Thieren
(Berlin, 1804, Seiten 82 ff)

Folgende Handlung eines Hundes verdient der Vergessenheit entrissen zu werden:

Terracotta, (ca. 600 – 500 v. Chr.)
Nähe Smyrna

EIn schwarzer Schäferhund oder Spitz, der seit mehrern Jahren das Amt des Wächters bei den ihm anvertrauten Heerden treu verwaltete, besaß neben andern guten Eigenschaften auch die, daß er sich mit seiner schwarzen Brodsuppe und den aus der Küche abfallenden Sporteln begnügte, und nie etwas anrührte, was ihm nicht zukam, dieß auch von andern Thieren nicht duldete. Es wurde im Jahre 1784 ein Kalb auf dem Hofe geschlachtet. Spitz wartete ruhig, bis man ihm seine Gebühr davon zuwerfen würde, und beschäftigte sich indessen damit, die Schweine, Hühner und Enten, bis auf eine gewisse Weite von dem Schlächter entfernt zu halten. Dieser hatte die 4 Füße des Kalbes neben einander unter den Schlachtbock gelegt, während daß er die Viertel zertheilte. Da nun der Spitz einmal mit Nachdruck auf das zudringliche Hofvieh losfuhr, und es davon jagte. Kam indessen sein College, ein artiger Dachshund, nahm einen von den vier Füßen, und lief mit seiner Beute davon, ohne das es der Fleischer gewahr wurde. Der Spitz kam zurück, sah bald den Fleischer bald die drei Kalbsfüße ganz erschrocken an, drehte sich überall um und witterte mit der Nase, bis er den saubern Dachs mit dem gestohlnen Gute in einer Ecke des Hofes erblickte. Wie ein Pfeil fuhr er auf ihn zu, faßte ihn beim Genick, schüttelte ihn zusammen und nahm den Kalbsfuß und legte ihn ehrlich wieder zu den übrigen. *)

 

*) Für die Wahrheit dieser Erzählung, nach allen Umständen, kann ich Bürge seyn, da ich sie aus dem Munde seines Herrn gehört habe, der in der ganzen Gegend als ein braver Mann bekannt ist. Der Verfasser der Deutsch. Zeitung für die Gegend 1784.