Die Geschichte vom bösen Hund, der gar nicht böse war

Auf meinen täglichen Runden mit den Hunden kam ich auch relativ oft an einer Gruppe spielender Kinder vorbei, die natürlich die Wuschelköppe einfach nur zum Knuddeln fanden.

Diese Sichtweise von Kindern kann gefährlich werden, wenn man sie nicht relativiert. Nicht jeder Hund mag es, wenn man auf ihn losgestürmt kommt und ihm um den Hals zu fallen versucht.

Andererseits freuen wir Hundehalter uns natürlich auch immer, wenn Kindern nicht gleich beim Anblick jedes Hundes in panisches Geschrei ausbrechen.

Wie so oft, liegt der goldene Weg in der Mitte: Kinder sollten niemals einen Hund anfassen, ohne sich vorher – mit angemessenem Abstand – beim Halter zu erkundigen, ob der Hund das mag.

Die Kinder, die ich auf unseren Spaziergängen traf, verhielten sich auch im Prinzip vollkommen richtig. Sie fragten mich und ich antwortete, dass sie alle Hunde relativ problemlos streicheln könnten. Nur beim Griepto ginge das nicht immer. Natürlich erkundigten sie sich, wieso der Griepto das nicht mögen würde und ich erzählte ihnen von den üblen Misshandlungen, die er, unter anderem von einem Kind, erdulden musste. Sie waren entsetzt, dass Menschen Hunden so etwas antun können.

Bei einem unserer nächsten Spaziergänge kamen sie natürlich wieder und wollten die Rasselbande kraulen. Da einer der Jungen beim letzten Mal nicht mit dabei war, erklärten ihm die anderen Kinder, indem sie auf Griepto zeigten „Den da nicht – der ist böse!“

Daraufhin sagte ich, dass Griepto selbst nicht böse sei, sondern die Menschen hätten ihm nur böse mitgespielt, so dass er heute keinem Menschen, auch Kindern, nicht mehr traue, sondern immer glaube, sie würden ihm wieder wehtun. Aber sie könnten mir natürlich gern helfen, ihm sein Vertrauen in Kinder wieder zu erlangen. Das wollten sie natürlich gern.

Also schauten wir immer, wenn Griepto relativ relaxt war, dass die anderen Kinder erst einmal die anderen Hunde kraulten. Diese kleine Vorweg-Arbeit übernahmen sie natürlich gern. Wir vereinbarten, dass sie in der Zeit keine schnellen Bewegungen machen oder laut schreien sollten. Sie sollten sich einfach nur ruhig und gelassen bewegen. Das hatten sie sehr schnell verinnerlicht und falls irgend jemand Griepto noch einmal einen „bösen Hund“ nannte, überfielen sie denjenigen sofort mit Erklärungen, dass es ja schlimm genug sei, was die Menschen ihm angetan hätten und da dürfe man ihn jetzt nicht auch noch bestrafen, indem man ihn einen „bösen Hund“ nennen würde.

Sie hatten sich offensichtlich sehr viele Gedanken darüber gemacht und irgendwann erzählten sie mir, dass sie solche Misshandlungen von Tieren inzwischen mit ganz anderen Augen sähen.

Wenn Griepto immer zusehen musste, wie die anderen Hunde gekrault wurden, er selbst aber nicht, dann wollte er das natürlich selbst auch. Also nahm ich ihn ganz kurz, um im Falle eines Schnappers sofort einschreiten zu können und die Mutigsten unter den Kindern näherten sich ihm sehr langsam und vorsichtig. Sie ließen ihn erst einmal in Ruhe an ihrer Hand schnuppern und erst, wenn er sein Vertrauen zeigte, fassten sie ihn ganz zart und vorsichtig an und streichelten ihn. Trotz einiger Rückschläge, bei denen natürlich nichts passiert ist, weil ich Griepto immer am Halsband hatte, fasste er sehr langsam wieder Vertrauen zu Kindern.

Einige Jahre später – in Hamm fand der sog. Nordrhein-Westfalen-Tag statt – war ich mit meinen Hunden an einem Stand der Gruppe „AlzheimerEthik“, um zu erklären, dass Hunde für Demenzkranke oft eine Wohltat sind, weil sie in ihrer Verständigung nicht von Worten abhängig sind, die Demenzkranke meistens irgendwann einfach nicht mehr haben. Insbesondere der Spitz ist ein Hund, der in der Jugend der z.Zt. älteren Generation einmal sehr verbreitet war und so fallen den alten Leuten vielfach wieder kleine Geschichtchen ein, wie der Spitz sie immer von der Schule abgeholt hat oder Ähnliches. Das bezeichnet man als Reminiszenztherapie.

Die Besucher fanden die Hunde einfach nur toll und viele von ihnen saßen nach wenigen Minuten auf dem Boden inmitten von vier großen Spitzen und genossen all die Schmuseeinheiten. Darunter waren auch etliche Kinder und – oh Wunder – auch Griepto genoss es ohne Ende! Er wusste vor lauter Glück kaum, was er machen sollte.

Manche der Besucher fragten aus ihrer Position mitten zwischen den Spitzen, was das denn eigentlich für tolle Hunde seien. Ich antwortete dann immer „Das sind die hinterhältigen und falschen Spitze!“ Daraufhin zuckten die Leute immer kurz zusammen, schauten mich ungläubig an und protestierten entrüstet „Aber das sind die doch gar nicht!!!“

Ich hoffe, dass all diese Leute in Zukunft wissen, was sie von solchen Vorurteilen gegenüber manchen Hunderassen zu halten haben.

Und vor Allem möchte ich Eines betonen:

Ich habe mich riesig gefreut, wie sehr auch Griepto dieses „Bad in der Menge“, inklusive unzähliger Kinder, genießen konnte!

Dafür möchte ich all denen, die als mutige Kinder bereit waren, ihm noch eine Chance zu geben, aus tiefstem Herzen danken. Inzwischen dürften die meisten von ihnen selbst erwachsen sein. Mögen sie die Geschichte Grieptos in ihren Herzen bewahren!

2 Gedanken zu „Die Geschichte vom bösen Hund, der gar nicht böse war

  1. Susanne

    Wunderschöne Geschichten! Und sehr begeistert bin ich, weil hier offensichtlich eine erfahrene Pflegekollegin spricht. Der Spitz als Rasse ist interessant, aber ich kann nicht einschätzen, ob ich ihn in einem Mehrparteienhaus halten könnte. Im Moment ist es Haus mit Garten, aber Alter und Einschränkungen werden kommen und damit der Umzug. Aber ich denke drüber nach! Liebe Grüße und weiter gutes Gelingen!

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    1. Monika Artikelautor

      Hallo Susanne,
      der Spitz ist ein überaus anpassungsfähiger Hund und hat ja auch in früheren Zeiten oft genug in einem kleinen Planwagen gewohnt. Solange er mit seinem Besitzer regelmäßig spazierengehen kann, ist ihm das „Drumherum“ meist ziemlich wurscht. Und in einem Mehrparteienhaus kann man einem so intelligenten Hund normalerweise sehr schnell beibringen, wen er nicht zu melden braucht. Er erkennt die lieben Nachbarn sowieso an ihrem Schritt, ihrer Stimme usw.
      Auch vor mir haben Alter und Einschränkungen keinen Bogen gemacht und ich habe mein großes Haus mit Garten gegen eine Mietwohnung getauscht – das war absolut kein Problem. Eine meiner Nachbarinnen hatte lange Zeit sogar Angst vor Spitzen, weil sie als Kind von einem Spitz gebissen worden war. Sie fand es trotzdem immer gut, dass wir hier wohnen, weil sie sagt, dass sie sich gerade mit den Spitzen im Haus wesentlich sicherer fühlt als ohne!

      Also: nur Mut!

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