Auf dem Morgenspaziergang mit den Hunden Brötchen kaufen zu wollen, war schon eine besondere Herausforderung. Das lag vor allen Dingen daran, dass für den guten Griepto Brötchen das Leckerste überhaupt waren.
In seiner Zeit im Tierheim hatte man ihm nämlich ab und zu mal mit einem Stückchen Brot oder auch Kuchen das triste Tierheimleben versüßt. Obwohl er ganz gern zuschnappte, hatte man auch dort nämlich sehr wohl gesehen, welch wirklich herzensguter Kerl unter der harten Schale steckte, aber er galt nach bereits 2 Jahren im TH bereits als unvermittelbar und so wollte man ihm halt ab und zu etwas Gutes tun.
Wenn ich also morgens beim Bäcker vorbeiging, habe ich auch ganz gern mal ein Brötchen mehr gekauft, um abends noch eines zu einer guten Suppe zu haben. Das habe ich dann also nach dem Frühstück zur Seite gelegt. Selbstverständlich wurde ich dabei von Griepto neugierig beäugt. Dem entsprechend habe ich es also z.B. ganz hinten auf die Anrichte gelegt. Die war ja relativ hoch und auch breit.
Wenn ich dann abends das Süppchen gekocht hatte, habe ich das Brötchen einfach nicht mehr gefunden. Jede Suche blieb erfolglos. Als ich dann am Wochenende gründlich geputzt habe, fand ich die leere Brötchentüte hinter der Küchentür. Nun muss ich dazu erklären, dass die Küchentür praktisch immer bis zur Wand geöffnet war und nur sehr selten geschlossen wurde. Das war immer am Wochenende kurz, um dahinter zu wischen und ansonsten nur, wenn die Hunde während der Läufigkeit getrennt waren.
Naja – ich habe mir zuerst nicht sehr viel dabei gedacht. Aber mit der Zeit stellte ich dann fest, dass Griepto grundsätzlich, wenn er etwas Essbares gemopst hatte, verräterische Überreste, wie etwa die Verpackungen, hinter der Küchentür versteckte. Er hatte wohl genau beobachtet, dass die sehr selten geschlossen wurde und daraus den Rückschluss gezogen, dass der Raum dahinter ein gutes Versteck sein müsste, so dass er nicht so schnell auffliegt. Es ist ja auch wesentlich auffälliger, wenn man im Hundekorb die Brötchentüte neben sich liegen hat.
Und je länger der Zeitraum ist, bis das verräterische Teil gefunden wird, desto harmloser fällt das darauf folgende Donnerwetter aus. Die anderen Hunde, insbesondere Gilla, haben dieses Versteck dann später auch gern benutzt. Und das hat es natürlich umso schwieriger gemacht, den vierbeinigen Dieb dingfest zu machen.
Und wenn dann jemand behauptet, „Hunde leben nur im Hier und Jetzt“ und können nicht denken, kann ich nur lachen.
Um auf solche Ideen zu kommen,
- muss man schon eine sehr genaue Vorstellung davon entwickeln, wie der zukünftige Verlauf sein könnte, wenn man Brötchen, Kuchen oder Ähnliches gemopst hat.
- muss einem klar sein, dass der Andere (Herrchen oder Frauchen) zwischen einer bestimmten Verpackung und dem Diebstahl eine Verbindung herstellt, die Rückschlüsse auf den Täter zulassen.
- muss man sich darüber im Klaren sein, dass man zwar das Brötchen/den Kuchen haben möchte, aber nicht „Das Wort zum Sonntag“.
- muss man in der Lage sein, Spekulationen darüber anzustellen, auf welche Art und Weise man diesen hypothetischen Verlauf so beeinflussen kann, dass Herrchen/Frauchen entweder
den Zusammenhang zwischen Tüte und Täter nicht sicher herstellen kann oder aber
zwischen Diebstahl und Auffinden des Corpus delicti ein ausreichend langer Zeitraum vergangen ist, der zur Folge hat, dass das Donnerwetter milder ausfällt.
Diese Geschichte – wie auch viele andere – zeigt sehr deutlich, zu welch komplexen Gedankengängen und sich daraus ergebenden Handlungstrategien Hunde in der Lage sind!